Montag, 23. Mai 2016

Die Ascaron-Chronik: Kapitel 6

Aus der Krise mit dem Blockbuster (2003 – 2005)

In den vergangenen Jahren kristallisierte sich immer weiter heraus, dass die Schlagzahl höher wurde. Während man zu Beginn maximal ein überschaubare Anzahl an Veröffentlichungen pro Jahr hatte (so z.B. gab es im Jahr 2000 wie bekannt gerade zwei Releases), stand für 2003 nun ein wenig mehr auf dem Plan. Neben dem bereits genannten Big Scale Racing, welches von einer kleinen Gruppe namens Bumblebeast in den Niederlanden programmiert wurde, kam Anfang Januar 2003 der Name Devastation ins Spiel: Das Spiel der Digitalo Studios sollte von Ascaron lokalisiert und beworben werden. Devastation ist ein völlig untypisches Ascaron-Spiel: Im Genre der First-Person-Shooter angesiedelt und für die Zeit auf einem hohen technischen Standard dank Unreal-Engine. Neben der allerdings völlig ausgelutschten Standard-08/15-Dystopie-Hintergrundgeschichte fiel die Offenheit für Modifikationen positiv auf. Angekündigt für den März war dies ein weiteres Spiel, welches nur von Ascaron vertrieben werden sollte und neben BSR keine Eigenentwicklung war.

Und mit den Ankündigungen von Big Scale Racing und Devastation nicht genug: Sacred wurde bereits für das 2. Quartal 2003 angekündigt, ein Spiel, auf das ich mir zunächst keinen Reim machen konnte, weil ich bis zu dem Zeitpunkt weder Diablo noch sonst ein Action-RPG gespielt hatte (und ich gestehen muss, dass ich damit echt was verpasst hatte!).

Doch noch bevor auch nur eines der genannten Spiele auf den Markt kommen sollte, traf die Mitarbeiter in Gütersloh eine weitere Hiobsbotschaft. Nach den gesammelten Fettnäpfchen um den Release von Anstoss 4 sah Ascaron sich nun genötigt, aufgrund eines schwachen Marktumfeldes und eines „unter den Erwartungen liegenden Geschäftsverlaufes“ eine umfangreiche Restrukturierung im Entwicklungsbereich durchzuführen. Im Klartext bedeutete dies, dass fast die gesamte interne Grafikabteilung entlassen wurde – nach heise.de ging es um immerhin 16 Grafiker - und dazu alle freien Mitarbeiter gleich mit auf die Straße gesetzt wurden.

In dem sehr umfassenden Artikel „Die Akte Ascaron“ von der Gamestar1, der in gewisser Hinsicht als Inspiration für diesen Blog diente, kommt Guido Eickmeyer diesbezüglich zu Wort. Anstoss 4 konnte im wesentlichen als Grund für die Schieflage ausgemacht werden, denn als Neuentwicklung mit einem unerfahrenen Team bei viel zu hohen Erwartungen gab es irgendwann finanzielle Zwänge, die Ascaron dazu nötigten, das Spiel auf den Markt zu bringen. Auch, wenn man zwischen den Zeilen lesen kann, dass sogar der Projektleiter mit dem veröffentlichten Produkt alles andere als zufrieden war. Dennoch: Die erwarteten Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück, nach dem Boom zu Release bleib Anstoss 4 in den Regalen liegen wie Blei – und das zum Weihnachtsgeschäft. Dazu war mit Sacred ein großer Titel in der Entwicklung, was bekanntlich anfangs immer erst viel Geld kostet.

Ascaron musste reagieren. Gerade bei Anstoss hatte sich Ascaron in den vergangenen Jahren derart viel Kredit aufgebaut, dass es nun galt, der Verbrennung der Marke entgegenzuwirken. Es war klar, dass Anstoss 4 nicht das Spiel war, was die treue Fangemeinde sich gewünscht hatte. Aber vielleicht war gerade die Fangemeinde nun das, was Ascaron zur Hilfe nehmen konnte? Bereits früh sammelte man wieder Ideen von genervten Fans, die ihren Lieblingsmanager weiterhin groß sehen wollten, weil sie den zwar mit Originalnamen protzenden, aber irgendwie immer distanziert wirkenden FM von EA einfach nicht ins Herz schließen konnten. Dazu wurden weiterhin Patches für A4 veröffentlicht, aber leider immer noch mit dem Problem, dass progressive Ankündigungen für weitere Patches terminlich kaum eingehalten werden konnten.

Es traf sich für Ascaron damit sehr gut, dass wir die Fanpage eröffnet hatten. Unsere erste, richtig offizielle Nachricht war damals die o.g. Restrukturierungsankündigung, die uns damals schon ins Mark traf – gerade eine Fanpage gemacht, und nun könnte schon wieder alles vorbei sein? Nicht mit uns. Nach Absprache mit Ascaron riefen wir quasi zeitgleich das Fanfest 2003 ins Leben. Mal einen Blick hinter die Kulissen werfen, vielleicht ein paar neue Freunde kennenlernen, zusammen eine Runde zocken. Und vor allem: Eine versöhnliche Geste! Ich weiß nicht, ob Ascaron direkt Feuer und Flamme für diese Idee war, aber die Absage des geplanten Fanfestes 2001 war mit Sicherheit eine Motivation für die Firma, wieder ein Fanfest zu machen, auch wenn die Ressourcen knapp waren. Stefan Gebenus hat uns damals eine Weile unterstützt, so dass wir doch vorsichtig gesagt etwas überrascht waren, dass er Ende Februar die Firma verlassen wollte. Aber ehrlich gesagt: Wer wollte ihm das verdenken?

So kam dann Big Scale Racing (BSR) im Februar 2003 auf den Markt: Was uns erwartete, war ja schon im Dezember bekannt, da Ascaron damals eine nette Demo veröffentlichte, die mir als Rennspielliebhaber direkt zusagte. BSR war eine Versoftung eines beliebten Hobbys, vor allem in den Niederlanden, nämlich ein Modellauto-Rennspiel. Die Autos im Maßstab 1:5 brettern durchaus anspruchsvoll, aber leicht erlernbar über die realen Pisten, dazu drei Ligen mit unterschiedlichen Computergegnern und auch ein Multiplayermodus. Obendrauf neben einem schönen Easteregg in einer Spielhalle auch ein relativ komfortabler Skineditor. Das Spiel war kein Hit, aber ein netter Zeitvertreib. Die PC Games vergab 69%, ein Wertung die ich persönlich zu gering finde. Auch heute noch immer noch mal eine Runde wert. 2004 gab es übrigens vom Hersteller selbst ein Update mit neuen Autos und neuen Strecken, doch diese sind inzwischen im Internet verschollen, da es die Seite nicht mehr gibt.

Packshot von Big Scale Racing

Mit einiger Verzögerung – was an den Entwicklern, nicht an Ascaron lag – kam dann im April auch Devastation in die Regale, wie schon erwähnt, ein Egoshooter mit (leider langweiligem und standardisiertem) Zukunftsszenario. Vor allem wollte Ascaron mit der Physikengine werben, was durchaus gelang. Allerdings hatten die Hersteller wohl leider vergessen, eine ansprechende KI einzuarbeiten, jedenfalls war Devastation ein (in guten Sinne) total durchschnittliches Spiel, von dem quasi nie wieder was gehört wurde. 68% bei 4players.de, 72% bei der Gamestar. Interessant bei Devastation ist folgendes: Das Spiel war ursprünglich und zu Beginn nur als MP-Mod zu Unreal gedacht, doch die Entwickler merkten bald, dass die Idee doch zu einem eigenständigen Spiel reichen würde. Doch der dem Producer leichtsinnigerweise zugesagte Singleplayer-Modus sollte dem Projekt beinahe das Genick brechen, was die schwache KI erklärte. Denn die Digitalo Studios hatten bislang mit Singleplayerentwicklungen überhaupt nichts am Hut und mussten dort durch eine harte Schule.2 Ascaron versüßte den deutschen Fans das Spiel aus dem hauseigenen Webshop mit einem T-Shirt und vorab verteilten kostenlosen Demo-CDs. Nach ein paar abschließenden Patches war Devastation bereits ab Mitte August für nur noch 25 Euro zu erhalten. Und die bittere Schlußpointe: Die Firma Digitalo wurde im übrigen im November 2003 geschlossen.

Packshot von Devastation
Das T-Shirt der limitierten Auflage aus dem Ascaron-Webshop

Im April 2003 wurde dann durch eine PC Games-Reportage3 auch dem breiten Volk bekannt gemacht, dass neben dem „fast fertigen“ Sacred auch Port Royale 2 in der Entwicklung sei (geplantes Release: Februar 2004) und dazu fleißig an Anstoss 5 gearbeitet würde. In der Reportage wurde für den Fan eines deutlich: Auch Ascaron selbst war überrascht und erwartungsvoll, was Sacred anging. Holger Flöttmann sagte selber, Sacred wäre ein „etwas ungewöhnliches“ Spiel für Ascaron und Hans-Arno Wegner als Projektleiter kämpfte offensichtlich mit der Koordination zwischen Gütersloh und Aachen als Sitz von Studio II. In der Reportage wurde es nicht erwähnt, doch im Forum gingen Gerüchte um, es solle ein weiteres Spiel kommen, eine Hommage an einen guten alten 80er-Titel. Mit Port Royale in der Hinterhand war der Gedanke schnell, dass eines der Lieblingsspiele jedes C64-Veteranen namens Pirates! eine tolle Idee für eine Neuauflage wäre. Doch auf der E3 im Mai 2003 kündigte Sid Meier die Neuauflage seines Pirates! selbst an, so dass die Hoffnung auf ein „Pirates! Reloaded“ leider vererst zerplatzte. Vorerst.

Währenddessen waren die Planungen für das Fanfest in vollem Gange. Für uns als Fanpage war dies relativ unvorbereitet ein großes Event, was wir aber dank Stefan Renz (und der Seite www.fanfest.de.vu) irgendwie doch koordiniert bekamen. Dank der langsam wachsenden Verbindungen zu den großen Internetportalen der Gamestar und der PC Games waren wir sogar zu einer verlässlichen Quelle geworden. Ascaron hielt sich bedeckt, bis zum großen Tag. Nur wenige Neuigkeiten kamen an das Tageslicht wie ein Ereignis-Wettbewerb für Anstoss oder die endgültige Box für Sacred (die mir bis heute nicht so gut gefällt).

Das verworfene Sacred-Cover

Das Fanfest am 04.07.2003 sollte zu einem Höhepunkt sowohl in der Geschichte Ascarons als auch für uns werden. 120 Gäste, Führungen durch die heiligen Hallen, Vorgucker auf in der Entwicklung befindliche Spiele und Gespräche mit den Leuten hinter den Pixeln. Wir wollten wissen, was nun mit Anstoss passiert, wie Sacred tatsächlich aussieht, und was überhaupt so los ist. Überraschenderweise gab es unheimlich viele Infos für uns: Zunächst: Aus Anstoss 4 wurde Anstoss 4 Edition 03/04 (A4E). Das Spiel sollte im Midpricesegment rauskommen und für den enttäuschten A4-Spieler sollte es eine günstige Umtauschaktion geben – A4 plus geringer Aufpreis gleich A4E (13 Euro in Deutschland, 15 Euro aus Österreich). Sacred befand sich in einem stabilen Alphastatus und konnte von uns dort angespielt werden (mit umfangreichem Feedbackbogen inklusive). Neben Port Royale 2 befand sich ein Spiel namens Tortuga in der Entwicklung, ein Port Royale ohne ausbordenden Wirtschaftsteil, welches sogar schon in der Betatestphase war (also doch ein Pirates-Remake?). Und zu guter Letzt war Vermeer 2 ebenfalls in der Mache – das sollte die 80er-Hommage sein. Und die Fanpage hatte diese Infos zuerst. Ein Ritterschlag für unser Projekt, auf das wir heute noch stolz sind.

Und so erwarteten wir erneut eine Anstoss-Veröffentlichung im Oktober 2003, keine 11 Monate nach der Urversion. Die Farben wurden geändert, der Alien-Fahrradsattel entfernt (Kenner wissen was ich meine), Guido Eickmeyer spendierte der Fanpage sogar ein Entwicklertagebuch. Und der Sympathieträger des Spiels, der Pallino kehrte endlich wieder zurück. Der Betatest wurde öffentlich ausgeschrieben und es gab gute Gespräche zwischen Ascaron und den Fans. Auch die Kritiker waren sehr angetan von der neuen Version, die sowohl optisch als auch inhaltlich endlich wieder mit der bekannten Leichtigkeit daherkam: Jede Instanz verlieh 80% und besser (die PC Action sogar 83%), und auch die Fans wirkten versöhnt. Es war jedoch auch kein Geheimnis, dass Ascaron auch bei A4E nachbessern musste: Es sollte eine große Reihe von Patches folgen, die auch durch neue Features glänzten (wie z.B. die schwarze Kasse im Fanpatch, der viele Wünsche der Community einfügte), die letzte Versionsnummer war die 1.7. Dennoch konnte man sagen, dass die Edition zwar irgendwie immer noch das Stigma des ungeliebten Anstoss 4 mit sich trug, aber das beste daraus machte. Ascaron war wieder auf einem guten Weg. Anstoss war zwar nicht so durchgestylt wie der Fussball Manager von EA, aber es gab wieder Unterscheidungspunkte durch manche Features, die ein Lizenzprodukt nicht bieten konnte. Die Planungen für ein echtes Anstoss 5 konnten weitergehen. Jedoch: Im Nachgang zu A4E teilte Anstoss-Projektleiter Guido Eickmeyer mit, dass er Ascaron zu Beginn 2004 verlassen würde.

Packshot von Anstoss 4 Edition 03/04

Quasi zeitgleich – nur eine Woche später – kam dann auch Tortuga auf den Markt, was allerdings zwischenzeitlich in Piraten – Herrscher der Karibik umbenannt wurde. Piraten kam den WiSim-gewohnten Spielern schon ein wenig komisch vor, da es tatsächlich einen sehr großen Actionteil hatte und die Handelsaspekte zugunsten der schnellen Zugänglichkeit fast auf ein Minimum reduziert wurden. Erneut bot Ascaron damit ein Spiel an, welches eher den Gelegenheitsspieler ansprach (wie z.B. Big Scale Racing oder auch in Teilen Ballerburg). Diese Entwicklung machte vielen Fans Sorgen. Die Erwartung war, dass eine beinharte Wirtschaftssimulation wie Patrizier 2 endlich fortgesetzt werden würde. Doch so lagen die Hoffnungen bei Port Royale 2.

Packshot von Piraten: Herrscher der Karibik


Diverse Lokalisierungen von Piraten. Bemerkenswert ist, dass sowohl Port Royale als später auch Tortuga als Titel für Ascaronspiele herhalten mussten.

Piraten selbst war für Ascaron ein Glücksfall. Überspitzt gesagt als Beschäftigungstherapie für tätigkeitslose Programmierer erdacht, basierte Piraten auf der Engine, die auch in Port Royale werkelte. Das Spielprinzip war eine Neuauflage des bereits erwähnten Pirates!. Die PC Games titelte im Test „Der rechtmäßige Pirates-Nachfolger“ und vergab gute 76%. Looki.de war sogar bei 86%, während die Gamestar mit 68% mal wieder eine demotivierende Wertung vergab. Für den Gelegenheitsspieler ist Piraten auch heute immer mal einen Blick wert, gerade in Anbetracht der nicht überzeugenden Neuauflage des tatsächlichen geistigen Vorgängers. Erstaunlicherweise war Piraten für Ascaron sehr erfolgreich, was am geringen Aufwand von kolportierten fünfzig- bis hunderttausend Euro und am günstigen Verkaufspreis lag.

Über das ganze Jahr hinweg waren aber weder Anstoss noch Piraten oder gar Devastation das Thema von Ascaron. Wie bereits geschildert, arbeitete in Aachen eine Tochterfirma von Ascaron, das Studio II an Sacred. Studio II war verantwortlich für die Fertigstellung des Spiels, doch die kreative Leitung lag in Gütersloh bei Hans-Arno Wegner. Ein unkluge Entscheidung, auch in Zeiten von Skype und Web-Konferenzen. Doch davon bekam nach außen hin niemand etwas mit. Nach außen hin wurde Sacred als „the next big thing“ vermarktet: Die Homepage von Ascaron war voll mit aktuellen Meldungen, Links zu Previews, Infohäppchen und Screenshots, dass man fast den Überblick verlor. Ein bislang nicht gekannter Hype um das Spiel begann, denn der Zeitpunkt für ein neues Action-Rollenspiel war gut: Diablo 2 war im Juni 2000 veröffentlicht worden und war seither Platzhirsch. Doch die PC-Gemeinde verlangte inzwischen nach einer den technischen Möglichkeiten angepassten Version, höhere Auflösung, MP-Modus, mehr Quests, mehr Sammelwut, mehr Eastereggs und am besten genauso eingängig bedienbar. Das Tolle war: die Presse und die ersten Previews versprachen genau das! Ob auf der E3 in Los Angeles im Mai 2003, wo die erste spielbare Version präsentiert wurde und Ascaron mit einem Preis für das innovativste Rollenspiel der E3 ausgezeichnet wurde oder einige Monate später auf der Games Convention in Leipzig: Ascaron kleckerte nicht, es klotzte.

Die Folge war für die Ascaron-Anhänger aber unübersehbar: Das normale Forum wurde von Interessierten geflutet: Während man mit Patrizier- oder auch Anstoss-Spielern eher den normalen BWL-Studenten ansprach (um mal ein Klischee zu bedienen), kam nun eine völlig andere Käuferschicht dazu: Jüngere Spieler als die, die sich bislang im Forum tummelten, da sich die bisherige Genreausrichtung von Ascaron mit Sacred neu orientierte. Die einzig richtige Entscheidung von Ascaron kam schnell: Das Sacred-Forum, bislang Bestandteil des allgemeinen Ascaron-Forums wurde entnommen und bekam sogar eine eigene Domain. Der Nachteil – auch für uns als Fanpage – trat jedoch damit auch deutlich zutage: Ab sofort mussten wir uns in noch einem weiteren Forum aufhalten und den Verlauf mitverfolgen. Ich persönlich war nach dem Fanfest 2003 sehr angetan von Sacred und habe mich schon bald für den Betatest beworben, auch wenn mein Rechner gerade die technischen Mindestvoraussetzungen erfüllte. Erfreulicherweise durfte ich sogar teilnehmen, und an dieser Stelle sei nochmal ausdrücklich Torsten Allard für seine Unterstützung gedankt, der es mir mit viel Initiative ermöglicht hat, auch wirklich tätig zu werden.

Mitte August 2003 gab Ascaron offiziell bekannt, dass Take 2 Interactive als Vertrieb für vier Spiele fungieren würde: Neben Sacred sollte auch Vermeer 2, Port Royale 2 und Tortuga durch die weltweit bekannte Firma (u.a. durch die GTA-Serie) veröffentlicht werden. Nach den beiden Veröffentlichungen von Anstoss 4 Edition 03/04 und Piraten – Herrscher der Karibik ging der Fokus voll auf Sacred über, wenn auch im Hintergrund an den oben genannten Spielen fleißig gewerkelt wurde. Ein Cover wurde verworfen, ein neues der Öffentlichkeit präsentiert. Anfang November 2003 wurde der frühe Februar 2004 als Releasetermin für Sacred festgezurrt. Die Previews wurden immer euphorischer, die Erwartungen größer. Dann noch eine Verzögerung: Der endgültige Releasetermin soll der 27. Februar 2004 sein. Die Demo kam ein paar Tage eher und war ein absolutes Kaufargument. Holger Flöttmann stand sogar dem Handelsblatt zu einem Interview zur Verfügung, in dem von 400.000 Vorbestellungen gesprochen wurde. Alle Spielemagazine veröffentlichen seitenlange Tests und in einem sind sich auch heute noch alle einig: Sacred ist ein Hit!

Packshot von Sacred

...und das war alles in der Erstauflage drin. Sehr opulent.


Lokalisierte Cover von Sacred.

Die PC Games verteilt 85%, die Gamestar vergibt 87% und den Gold-Award. 4Players.de verteilte 81%. Sacred ist wie schon beschrieben ein Action-RPG: Es geht nicht um die Geschichte, sondern viel mehr darum, den Helden aufzubauen und zu verstärken. Ascaron geizte nicht mit Quests, verlor aber ein wenig den roten Faden der Hauptstory zwischen all den Nebenquests und sonstigem Allerlei. Ein unfassbare Menge an Eastereggs hat es in das Spiel geschafft, sei es die unzählbare Menge an Grabsteinen, die über ganz Ancaria verteilt sind – beschriftet mit blöden Sprüchen und Namen versierter Betatester – oder auch die Statuen oder NPCs, die mit popkulturellen Anspielungen glänzen. Mit reichlich Atmosphäre versorgt machte es einfach auch Spaß, mal die Soundkulisse eine Weile über Kopfhörer zu genießen, sich die Umgebung mal anzuhören, den frechen Goblins zu lauschen (Insider kennen den „Schniepel!“) oder dem Geplapper der Dorfbevölkerung. Und doch … Sacred war bei Release fehlerhaft. Wen wundert es.

Erneut musste Ascaron mit der Kritik leben, ein unfertiges Spiel veröffentlicht zu haben. Und wahr ist auch, dass Sacred doch mit einer ganz erheblichen Menge an Patches geflickt werden musste, bis es mit Version 1.7 im August endlich weitestgehend fehlerfrei war. Über die kommenden Monate wurden regelmäßig weitere Patches veröffentlicht, und schon bald gab es die Ankündigung, dass es einen „großen“ Patch geben würde, der insbesondere Probleme im Multiplayer beheben sollte. Ascaron meinte es aber meistens auch gut mit den Spielern, denn oft ging mit den Fehlerbehebungen auch das ein oder andere neue Feature einher. Gerade bei Sacred konnte man das relativ gut verfolgen: Die ersten Patches waren tatsächlich im wesentlichen Bugfixes. Doch als dann absehbar war, dass die Bugs nicht kurzfristig behoben werden konnten, entschied man sich, den Patches auch neue Features hinzuzufügen, um die Spieler ein wenig zu besänftigen. Gerade mit Patch 1.7, der „letzte“ große Patch vor der Neuen Auflage, wurden doch einige namhafte Features hinzugefügt, die es nach der Meinung mehrerer Spieler eigentlich schon zu Beginn hätte geben können, darunter der Überlebensbonus (besseres Loot bei längerem Überleben), der Handelsbildschirm im MP oder auch der komplett neue Schwierigkeitsgrad Niob.

Sacred war ein Bombenerfolg – sowohl in Deutschland als auch im Rest der Welt. Bereits nach 4 Wochen hatte man über 100.000 Exemplare verkauft und bekam dafür den Gold-Award des VUD (Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland). Damit reihte sich Sacred in die eigenen Verkaufsschlager wie Anstoss 2, Anstoss 3 oder Patrizier 2 ein (um sie später sogar noch zu übertrumpfen). Das Spiel wurde in alle möglichen Sprachen übersetzt, so gibt es neben der englischen auch eine französische, eine spanische und sogar eine tschechische Version.

Der oben schon genannte Patch 1.7 wurde am 31. August veröffentlicht. Etwas weniger als drei Wochen zuvor wurde für den Oktober die Neue Auflage von Sacred zum günstigeren Preis in Aussicht gestellt: Vollgepackt mit einer langen Liste weiterer neuer Funktionen (neue Regionen, neue Missionen, neue Gegner, neue Sets) sollte dies aber ausdrücklich kein AddOn sein. Das besondere an der Neuen Auflage bzw. Sacred Plus, wie es im Ausland genannt wurde (oder „Sacred, wie es zum Release hätte sein sollen“ von zynischen Mitarbeitern), war, dass das notwendige Update 1.8 den Besitzern von Sacred in der Releaseversion kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollten. Eine ähnliche Vorgehensweise gab es ja schon bei Port Royale, allerdings war der Umfang dann doch deutlich höher. Ein feiner Zug, das musste man sagen, denn das Upgrade war schon erheblich.

Die neue Auflage sah bis auf den Aufkleber genau so aus wie die alte Auflage.

Dazu wurde Mitte August auch bekannt, dass Ascaron an dem offiziellen AddOn Underworld arbeitete, welches dann für das erste Quartal 2005 in die Releaseliste aufgenommen wurde. Hier waren sogar zwei neue Charaktere angedacht, dazu eine erheblich vergrößerte Spielwelt und natürlich wieder Unmengen neuen Loots.

Man sieht: Das Jahr 2004 war beherrscht von Sacred. Lange Zeit in der Mache, wahnsinnig erfolgreich, und dazu von umfangreichen Marketingmaßnahmen flankiert: Es gab Sacred-T-Shirts, eine Handvoll Romane, die im übrigen gar nicht so übel waren, dazu eine Soundtrack-CD und sogar ein großformatiges Lösungsbuch. Aber gerade 2004 war ein besonders intensives Jahr für Ascaron, denn neben Sacred gab es noch eine Menge weiterer Spiele, die auf die Marktreife warteten. Und insbesondere in 2004 war die Liste so lang, wie in keinem Jahr zuvor – und wie in keinem Jahr danach.

Zunächst einmal wurde Ende April auch die von vielen bereits sehnsüchtig erwartete Fortsetzung des karibischen Strategiespiels Port Royale veröffentlicht. Nach dem Motto „Mehr vom gleichen“ war Port Royale 2 aber keineswegs, im Gegenteil. Nach dem Erfolg von Piraten – Herrscher der Karibik, welches ja auf Basis der PR2-Engine programmiert wurde, wollte man das Spiel international tauglich machen. Weniger WiSim, mehr Action. Das war vielen Die-Hard-Spielern allerdings nicht recht, denn wenn die Seeschlachten und Fechtduelle wollten, dann würden sie halt zum Spin-Off greifen. Dennoch war die Presse gut zufrieden mit dem von Daniel Dumont ordentlich geleiteten Projekt – die Gamestar vergab tolle 85%, die PC Games sogar fantastische 89%! Das schöne Spiel wurde von erstaunlich wenig Begleiterscheinungen geplagt, auch das nachträgliche Bugfixing hielt sich in Grenzen. Alles in allem möchte man sagen: Ein typischer Dumont-Titel im besten Sinne. Sehr schön auch, dass den Betatestern, die sich besonders engagiert hatten, namentlich im Handbuch gedankt wurde. Als Gimmick gab es im Ascaronshop eine limitierte Auflage mit einer Stoffkarte der Karibik als Dreingabe.

Packshot von Port Royale 2

Die Stoffkarte aus dem Ascaron-Webshop
Witzige Anekdote am Rande – jedenfalls aus heutiger Sicht: Die Firma Elkware, die inzwischen schon selbst einige Jahre aufgelöst ist, hat in Lizenz die Handyumsetzungen von Sacred und Port Royale 2 in den damals gängigen Java-Umgebungen erstellt. Den Google Play Store oder den iOS Appstore gab es damals noch nicht, aber die beiden Spiele lassen sich noch heute im Internet finden.

Im Juli gab es dann einen weiteren, sehr wichtigen Termin: Am 16. sollte es zu zwei Events gleichzeitig kommen: Neben dem Release von Arena Wars, einem innovativen Echtzeit-Strategiespiel in 3D, hatte Ascaron uns Fans erneut zu einem Fanfest geladen! Das Interesse war dieses mal besonders hoch, da das Internationale Forum durch die Sacred-Ausweitung auch ein hohes Interesse hatte. Und tatsächlich waren an einem trüben Tag in Gütersloh neben Gästen aus Österreich und der Schweiz auch jede Menge Leute da, deren Muttersprache nicht deutsch war: Belgier, Niederländer und wenn die Erinnerung nicht täuscht, war sogar jemand aus Finnland da! Dieses Fanfest war auch ein wichtiges Treffen (die Geburt des legendären „Funky Mummy Dance“), aber da die kommenden Veröffentlichungen wie Vermeer 2 oder das nun offiziell erschienene Arena Wars jetzt nicht die Strahlkraft wie Sacred im Vorjahr hatten, fehlte ein wenig das Besondere. Dazu kam ja auch, dass Sacred nicht in Gütersloh entwickelt wurde und da kein direkter Einblick in den Entwicklungsstand des AddOns möglich war – wenn man mal von der Webcam auf der Sacred-Webseite absah. Es war jedoch zu merken, dass sich in der Belegschaft von Ascaron einiges tat, denn eine Handvoll bekannter Namen waren nun nicht mehr dabei, dafür war aber eine erhebliche Sacred-Fraktion mit vor Ort, Leute, die man halt noch nicht so gut kannte. Dennoch war es eine schöne Veranstaltung und die bereits im Vorjahr geäußerten Wünsche nach jährlicher Wiederholung wurden lauter. Außerdem hatten die Fans das Fußballspiel gegen die Ascaronies verloren und riefen nach Revanche. In Vorjahr hatten die Fans deutlich mit 13:6 gewonnen! Dieses Jahr allerdings mussten wir uns nach Elfmeterschießen geschlagen geben, da halfen auch die schönen individuell beflockten Trikots nicht, die wir gesammelt bestellt hatten.

Doch kommen wir noch kurz zu Arena Wars, einem Spiel, welches seiner Zeit voraus war. Heutzutage ist diese Art zu spielen gang und gebe, doch diese Command&Conquer-Variante von Schere-Stein-Papier mit Webcam-Unterstützung war 2004 noch neu. Das Spiel selbst, von Ascaron nur vertrieben, war ein Geheimtipp mit Midprice-Segment. Viele gute Tests wurden veröffentlicht, von 78% in der PC Games bis zu 86% auf einigen Internetseiten. Das Spiel war insofern tatsächlich ein Geheimtipp, denn auch wenn man nie kommerziell wirklich erfolgreich war, bekamen die Entwickler namens exDream entertainment 2004 den 1. Platz in der Kategorie „Innovation“ beim deutschen Entwicklerpreis. 2007 wurde das Spiel als Arena Wars Reloaded mit besserer Grafik wiederveröffentlicht und 2012 folgte sogar Arena Wars 2. Dies sollte das letzte, nicht selbst entwickelte Spiel im Vertrieb von Ascaron sein.

Packshot von Arena Wars
Auf dem Fanfest konnte man auch schon den ersten Blick auf Vermeer 2 werfen, eine aktualisierte Version des altbekannten Klassikers. Der Windows-Vorgänger war auch von Ascaron entwickelt (s. Kapitel 3), doch nun war das Team ein völlig anderes, Daniel Dumont war als WiSim-Spezialist wieder eingebunden. Als nettes Retro-Revival wurde für den Kopierschutz eine Decoderbrille mit roter Folie dazugefügt (die in späteren Auflagen aber zugunsten einer einfachen Handbuchabfrage weggelassen wurde). Vermeer 2 war erneut ein Spiel im Midprice-Segment und stellte das vierte Spiel im Vertrieb von Take 2 dar. Simpel, aber liebevoll aufgemacht urteilte die Gamestar zunächst, doch die Testergebnisse sprachen in Zeiten von Spielen wie GTA San Andreas, World of Warcraft oder Sims 2 das aus, was viele dachten: Ein überholtes Spielprinzip mit noch zuviel C64-Anteil statt innovativer Erneuerungen. 67% verteilte die Gamestar, 61% die PC Games. Mehr als durchwachsen. Irgendwie wirkte Vermeer 2 eher wie eine Fingerübung als wie ein ambitioniertes Spieleprojekt, denn angesichts der maximal behutsamen Erneuerungen im Spiel fragte man sich als Besitzer von Vermeer schon, warum man Vermeer 2 denn eigentlich kaufen sollte.

Packshot von Vermeer 2
Doch mit rundum erneuerten Spielen war noch nicht genug: Während Mitte August noch ein Patch für Anstoss 4 Edition 03/04 veröffentlicht wurde, gab es bereits zwei Wochen später die Newsmeldung, dass im Oktober 2004 eine komplett überholte Version der Edition namens Anstoss 2005 erscheinen wird: Das aktuellste Regelwerk, mehr Illegales, neue Ansprachen. Diese Meldung wurde ein wenig skeptisch aufgenommen, da sich Ascaron damit in einen Updaterhythmus begab, den man gerade in Anbetracht der Konkurrenz von EA eigentlich nie wollte. Dies sollte das dritte Anstoss in drei Jahren werden, immer noch basierend auf dem Programmkern von Anstoss 4. Zu gute halten konnte man dem neuen, alten Anstoss jedoch, dass im Team nun eine gewisse Konstanz eingetreten war, dadurch, dass mit Ingo Bertram nun einer der zahlreichen Konzeptautoren von A4 alle konzeptuellen Fäden in einer Hand hatte. A2005 trat optisch deutlich erfrischt auf, hatte mit Krombacher auch einen sehr namhaften Sponsor und kostete bei Release keine 30 Euro. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass A2005 eine Neuauflage der Edition ist, um damit auch keine falschen Erwartungen zu schüren. Dennoch, so mein Urteil, war A2005 die seit langem beste Anstoss-Version und konnte aufgrund einer guten Spielbarkeit mit einer unglaublichen Langzeitmotivation aufwarten und – je nach Spielweise – war es möglich, die magische Grenze „1 Abend, 1 Saison“ zu knacken. Die Presse war kurioserweise nicht mehr ganz so überzeugt, was aber durchaus an der Weiterentwicklung des Fussball Managers von EA lag. Die Testurteile waren um die 75% angesiedelt, was im Vergleich zum Vorgänger schon ein Rückschritt war. Auch hatte Ascaron einiges getan in Sachen Bugfixing, man muß ironischerweise schon fast lobend erwähnen, das A2005 nach nur zwei Patches weitestgehend absturzfrei läuft. Für den, der sich aus den neueren Anstossspielen eines ansehen möchte, dem würde ich immer noch zu A2005 raten, weil das Spiel stabil läuft, gut gereift ist und auch unter Windows 10 noch problemlos läuft. Es mag sein, dass einem die Europapokal-Regeln etwas komisch vorkommen, aber wenigstens werden wir nicht mehr durch ein Silver Goal belästigt... Eine Besonderheit zu A2005 sei noch erwähnt: Im ersten Patch, der im November 2004 als „Feature-Pack“ beworben wurde, hatte die Fanpage ihre Finger im Spiel. Wir haben damals von der Community Ereignisse gesammelt, von denen einige dann per Patch eingebaut wurden. Ein weiteres Zeichen dafür, wie ernst Ascaron unsere Belange nahm.

Packshot von Anstoss 2005
Die Fanbabes hatten auch einen Auftritt außerhalb des Monitors.

Wenig später gab Ascaron dann bekannt, dass zum einen Betatester für das Sacred-AddOn gesucht würden und zum anderen, dass Piraten: Herrscher der Karibik einen offiziellen Nachfolger namens Tortuga: Rache der Piraten bekommen sollte – der Releasetermin wurde optimistischerweise im 1. Quartal 2005 avisiert. Doch heute wissen wir: Geschichte wiederholt sich, und da gab es doch mal dieses Spiel namens Elisabeth I., welches auch leichte Releaseverzögerungen hatte.

Kurz nach Jahreswechsel deutete Ingo Mohr im Forum an, das Ascaron an einem neuen Projekt arbeitet, welches uns alle „sehr freuen“ würde. Tatsächlich wurde Ende Januar offiziell, dass (mit Sicherheit auch dank des finanziellen Erfolgs von Sacred) an Anstoss 2006 gearbeitet wird. Ronny Harzendorf erklärte den Namenswechsel wie folgt:ANSTOSS 5 und ANSTOSS 2005 würden einfach nicht mehr auseinander gehalten können, gerade im Support. Das stellen wir immer wieder bei ANSTOSS 4 International und Edition 03/04 fest. Schon allein aus diesem Grund wird ANSTOSS ab sofort Jahreszahlen tragen.“ Anstoss 2006 wurde als echte Neuentwicklung vorgestellt und würde auch zum Vollpreis verkauft. Im Rahmen der nahenden Fußball-Weltmeisterschaft erhoffte sich Ascaron natürlich einen weiteren Verkaufseffekt. Wenn man der Namensgebung anderer Spiele folgte, konnte man eine Fertigstellung des Spiels noch 2005 erwarten, denn z.B. der FM 2005 wurde Ende 2004 auf den Markt geworfen.

Vor der Veröffentlichung des Sacred-AddOns Sacred: Underworld wurde bekannt, dass in Deutschland inzwischen 200.000 Exemplare von Sacred verkauft wurden, woraufhin der Platin-Award des VUD Ascaron als Auszeichnung überreicht wurde. Insgesamt soll sich Sacred weltweit übrigens rund zwei Millionen mal verkauft haben. Eine hervorragende Zahl für ein kleines Unternehmen wie Ascaron. Dazu ist das Spiel auch immer noch bei Steam oder GOG erhältlich.

Was erwartete den Käufer nun ab März 2005? Underworld sollte Sacred um beachtenswerte 40% Spielwelt erweitern, bot zwei weitere Charaktere und natürlich unzählige neue Items. Durch das AddOn wurden dazu die fehlerbehafteten Zufallsquests aus dem Originalspiel entfernt und durch richtige Quests ersetzt, was den Wiederspielwert erhöhte. Auch das AddOn erhielt richtig gute Bewertungen (z.B. 86% in der Gamestar), störend zeigte sich nur die fehlende Durchgängigkeit, weil man vom Hauptquest nicht ohne Zwischenstopp im Menü die Unterwelt betreten konnte. Dem genauen Betrachter stellte sich Underworld jedoch ein wenig verändert als das Ur-Spiel dar. Der Zeichenstil war leicht verändert, aber die dem AddOn zugrunde liegende Story war immer noch wenig immersiv. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob einen gestandenen Action-RPG-Spieler das überhaupt stört, aber das muss jeder für sich selbst beantworten – ich denke immer wieder, dass es schwer fällt, die Hauptquest von den vielen Nebenquests zu unterscheiden. Weniger (Quests) wäre mehr (Spielerlebnis) gewesen. 

Packshot von Sacred Underworld
Wie im oben bereits verlinkten Gamestar-Artikel ausgeführt, wanderte die Verantwortung nach dem großen Erfolg von Sacred von Gütersloh nach Aachen, so dass Franz Stradal, seines Zeichens Leiter von Studio II, nun auch mehr seine Ideen und Visionen einfließen lassen konnte. Als Mitte 2005 Sacred 2 offiziell angekündigt wurde, waren von Underworld rund 50.000 Exemplare verkauft worden. Grund genug, auch das Lösungsbuch neu aufzulegen und Underworld mit einzuarbeiten.

Im Spätsommer auf der Games Convention überraschte Ascaron die Spielewelt mit dem Spiel Darkstar One, ein Weltraumspiel im Stile von Elite, Freelancer oder Privateer, welches von Daniel Dumont entwickelt wurde. Das Spiel sollte das tote Genre wiederbeleben und versprach auf den ersten Screenshots ein Grafikfeuerwerk sondergleichen. Dazu versprach das Spiel die Integration eines funktionierenden Warensystems, denn das hatte das Team um Dumont ja in den letzten Jahren perfektioniert. Bereits Anfang 2006 soll das Spiel in den Regalen stehen... aber das nehmen wir ja schon lange nicht mehr für bare Münze.

Neben den tollen Nachrichten auf der Games Convention, dem erfolgreichen Sacred und den neuen Projekten in der Pipeline gab es noch eine wesentliche Änderung im Betriebsablauf: Ascaron zieht um! Die Räume an der Dieselstraße waren proppevoll, mehr als renovierungsbedürftig und dazu kommunikationstechnisch nicht mehr up-to-date, so zog man im August an die Verler Str. 6 in Gütersloh. Mit der moderneren Infrastruktur setzen wir auf ein noch dynamischeres Wachstum und weitere Expansion“, so Holger Flöttmann auf der Ascaron-Webseite dazu.

Mit Sacred Gold, die Mitte Oktober zum günstigen Preis veröffentlichte Verquickung von Hauptspiel und AddOn, kommen wir nun langsam zum letzten Atemzug was Sacred 1 angeht. Die Gold-Version war sehr umfangreich, denn neben dem Spiel war auch die Soundtrack-CD dabei, was natürlich die Limited Edition der Erstauflage ein wenig verwässerte.

Packshot von Sacred Gold

Der Jahreswechsel naht. Mehrere Spiele sind in der Entwicklung: Darkstar One, Anstoss 2006 und Tortuga – Two Treasures in Gütersloh und Sacred 2 in Aachen. Die Verzögerungen an Tortuga (welches zwischenzeitlich den Namen gewechselt hatte und für April 2006 auf der Agenda stand) wurden mit der Einarbeitung einer umfangreichen Geschichte von Bob Bates und Noah Falstein erklärt. Anstoss 2006 war sogar schon für Februar 2006 im Kalender vermerkt. Und Ascaron expandiert tatsächlich: Bernhard Ewers, der bereits an Sacred mitwirkte, wird Geschäftsführer einer neuen GmbH, der Quality Four GmbH in Potsdam. Geschäftszweck dieser Gesellschaft soll es sein, Dienstleister für andere Software-Unternehmen zu sein und deren Qualitätssicherung durchzuführen. Es wirkt noch heute ein wenig wie Hohn, dass ausgerechnet eine Firma, deren jüngste Produkte oft nur durch mehrere Patches lauffähig wurden, nun eine Firma gründete, die genau diese Unsitte abstellen sollte. Die andere Sichtweise wäre natürlich, das Ascaron die eigenen Defizite erkannt hat und damit abstellen möchte, doch dazu später mehr.

Und mit diesem Ironiestreich leite ich nun über in das letzte Kapitel der Historie von Ascaron, in dem sich zeigen wird, dass sich getroffene Managementfehlentscheidungen bei Projekten im Umfang eines Sacred 2 multiplizieren und bitterböse rächen werden.