Sonntag, 13. Dezember 2015

Die Ascaron-Chronik: Kapitel 2

Festigung als Deutsche WiSim-Schmiede

Ob der Erfolg von Patrizier in dem Umfang erwartet worden war, sei einmal dahin gestellt. Jedenfalls wurde bereits Ende 1992 ein weiteres Spiel vorbereitet. Ein junger Programmierer namens Gerald Köhler, der in seiner Freizeit erst an einem C64, später dann an einem Atari ST ein Spiel mit dem austauschbaren Namen „Kicker“ entwickelt hatte, vertrieb seine Fussballmanagersimulation über Kleinanzeigen in einer Fachzeitschrift. Über die Firma Independent Arts, die damals einen Programmierer suchten und Köhler ansprachen, kam eine Kontaktaufnahme mit Ascon zustande. Das noch in GFA-Basic programmierte Spiel wurde dann für den PC und Amiga umgesetzt, und aus dem Ein-Mann-Projekt „Kicker“ wurde innerhalb von knapp sechs Jahren das unglaublich erfolgreiche und noch heute beliebte „Anstoss“.

Packshot von Anstoss.

Ein gesuchtes Sammlerstück heutzutage.
Die Überraschung an Anstoss war, dass dieses Spiel trotz nur geringer Marketingmaßnahmen ein großer Erfolg wurde. So wurde Anstoss im Magazin PC Player erst in der Ausgabe 11/1993 angekündigt, im Direktvergleich mit dem ursprünglich gleichzeitig erscheinen sollenden Spiel „Hattrick“ - das Heft erschien knappe zwei Wochen vor Release von Anstoss!

Eines der unterschiedlichen Mauspads, die man damals so dringend benötigte.


Die Truppe um Köhler hatte 13.000 Exemplare als Verkaufsziel im Kopf, diese Zahl wurde nach seinem Bekunden bereits am ersten Tag im Oktober 1993 erreicht und sogar überschritten. In ganz Europa wurden in Folge 260.000 Stück von Anstoss verkauft. Köhler selbst erklärt den Erfolg dieses Spiels mit dem Fokus auf den Spielspaß, denn Anstoss spielt sich im Multiplayer noch heute gut. Weiterhin war die Logik des Spiels in vielen Runden gereift – ein Feature, was sich heute leider kaum ein Spiel noch leisten kann. Und der unter Fans legendäre Ascaron-Humor lockerte das Spielerlebnis erheblich auf. Während der „Bundesliga Manager Professional“ zum Saisonwechsel mit einer zufälligen Meldung „Ihre Spieler werden älter und schwächer“ alle Trainer in den Wahnsinn trieb (wobei die nur eine Reminiszenz an den ersten Bundesliga Manager war und im BMP aber keine Auswirkungen hatte), punktete Anstoss mit Ironie und bissigem Spott. Kein Manager vorher kokettierte mit den Schattenseiten des Fußballs so, wie Anstoss es tun sollte: Schwalben Ja/Nein, Einsatz: Lieb & Nett oder Brutal?

Nach dem Erfolg von Anstoss war ebenso klar wie auch schon nach Patrizier: Diese Spiele mussten fortgesetzt werden. Zunächst jedoch wurde die Popularität von Anstoss durch eine aufgewertete CD-ROM-Edition mit Kommentaren von Marcel Reif genutzt, um auch auf multimediafähigen PCs zu punkten. Gleichzeitig begann man auch, einen Nachfolger zu konzipieren – noch basierend auf dem bewährten Grundkonzept von Anstoss, aber die Zeit und den möglichen Kommerzwahnsinn des anstehenden Großereignisses im Fussball ausnutzend: Zur WM 1994 sollte es eine WM-Edition geben. Und damit das Programmieren dieses Spieles nicht wieder sechs Jahre dauerte, wurde professionell erst ein Konzept entworfen und dann programmiert. Rechtzeitig zum Großereignis dann im Juni erschien die „Anstoss World Cup Edition“ sowohl für den PC als auch für den Amiga. Es war kein großes Geheimnis, dass der Erfolg der WCE deutlich größer einzustufen war, als der der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in den USA.

Der Packshot zu Anstoss World Cup Edition - Amiga Edition!
 Bereits im Frühjahr 1993, gleichzeitig mit der Ankündigung der CD-Version vom Patrizier wurde für ein weiteres Strategiespiel Werbung gemacht: „Elisabeth I.“ - zunächst für den Sommer 1993 angekündigt, und zwar direkt als Disketten- und als verbesserte CD-Version. In einem Interview auf der Amiga Messe im November 1992 hatte Holger Flöttmann gegenüber der Amiga Games das Spiel sogar für „spätestens Mai 1993“ avisiert. Allerdings ließ Elisabeth noch eine Weile auf sich warten, wie wir heute wissen.

Zwischenzeitlich war bekannt geworden, dass sich C64-Legende Ralf Glau dem Ascon-Team angeschlossen hatte. Als weitere Handelssimulation in mittelalterlichem Setting wurde daher eine Neuauflage von Hanse aus 1986 angekündigt, die im Sommer 1994 dann auch im Midpricesegment veröffentlicht wurde. Nachdem man mit den bisherigen Spielen sowohl in den Disketten- als auch in den CD-Versionen quasi durch die Bank Wertungen von über 80% in den gängien Spielemagazinen abgeräumt hat, waren die nun mittelmäßigen Urteile (z.B. PC Player: 57%) dann doch eher ernüchternd. Interessanterweise tat das dem Verkaufserfolg keinen großen Abbruch, denn in den Media Control-Charts von November 1994 werden glatt drei der bisher erschienenen vier Spiele noch unter den Top 20 geführt – Hanse dabei auf Platz 7, vor SimCity 2000 (8.) und Theme Park (11.). Thematisch war „Hanse – Die Expedition“ nah am Patrizier, wenn auch nicht so überzeugend. Dennoch, ähnlich wie später auch Vermeer, profitierte das Spiel enorm davon, dass sich der Vorgänger bereits auf den alten 8-Bit-Rechnern einen Namen gemacht hatte.


Der Packshot von Hanse - Die Expedition

Es gab natürlich auch Auflagen mit CD-ROM.
Etwa zur gleichen Zeit konnten Fußballfans dann das Anstoss-Bundle (Anstoss 1 und die WCE) als günstigen „Doppelpass“ im Handel erwerben. Bislang war die Adresse unserer Lieblingsfirma die Brockhagener Str. 461 in Gütersloh. Doch in der Zwischenzeit, bis zur Veröffentlichung des nächsten Spieles, zog Ascon um, und zwar in die legendären Hallen an der Dieselstr. 66. Sofern mein Kenntnisstand aktuell ist, ist das Firmenlogo an besagter Adresse immer noch zu sehen (siehe auch P.S.!).

Das Bundle namens "Doppelpass" - da schon unter dem Namen Ascaron
Von „Elisabeth I.“ war jedoch auch Ende 1994 nicht viel zu vernehmen. Auf der ECTS im Frühjahr 1995 in London, der damals neben der E3 größten Computerspielmesse, hatte unsere Lieblingsfirma sogar einen kleinen Stand, auf dem weiterhin für Elisabeth I. Werbung gemacht wurde. Ebenfalls hörte man von „Pole Position“ und einer bis dato noch namenlosen Hubschrauber-Simulation. Pole Position wurde daraufhin im Frühsommer 1995 vom Amiga Joker in einem Previewartikel genauer betrachtet.

Jürgen Kersting, zur der Zeit Entwicklungsleiter von Ascon sprach ein paar Monate später in einem Interview mit dem Amiga Joker für dessen Ausgabe 11/95 (Zeitpunkt des Gespräches also ca. im September/Oktober 1995) über eine Amiga-Umsetzung von „Pole Position“ und kündigte abermals an, dass die Helikopter-Simulation „Das Hexagon-Kartell“ in Arbeit sei. Spannend an dieser Stelle ist, dass Herr Kersting nebenher einen Roman geschrieben hatte, der wiederum als Handlungsrahmen für das Hexagon-Kartell fungiert hat. Im Interview selbst konnte man Screenshots des Spieles sowohl im ECS- als auch im AGA-Format betrachten, inwieweit diese tatsächliche Screenshots waren, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Denn die Geschichte verrät uns: Die Amiga-Version von Pole Position ist nie erschienen.

Und so erschien zum Jahreswechsel 1995/1996 eine anspruchsvolle Formel-1-Management-Simulation, die mit 12 Disketten schon eine stolze Installationsroutine mit sich brachte. Bemerkenswert auch, dass der Verkaufsversion schon bald zwei weitere Disketten beigefügt waren – Patch 1 und Patch 2. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... 
Packshot von Pole Position. 
Kurios: Der Diskettenauflage waren direkt zwei Disketten mit den ersten Patches hinzugefügt.
Die CD-ROM-Version folgte knapp 3 Monate später, und auch im Bereich Merchandising machte Ascon die ersten Schritte nach vorne: Neben unsagbar peinlichen Baseball-Caps mit dem Ascon-Logo und in wunderschönem Grau gehaltenen Polo-Shirts konnte man Mauspads und Kaffeebecher mit dem Pole Position-Titelbild erwerben.

Kommt, Leute, wer traut sich, das in der Öffentlichkeit zu tragen?

Hier könnte man ja immerhin nen Zipper drüberziehen...
(Beide Bilder: Foto von www.ascaron.com, gefunden auf archive.org)
Bereits im oben erwähnten Amiga Joker-Interview hielt Ascon sich eine Hintertür offen: Angeblich wurde bereits an einer selbstständig spielbaren Erweiterung von Pole Position gearbeitet, die den Actionteil ergänzen sollte, d.h. selbst Gas geben und lenken statt KI-Fahrer. Denkbar ist diese Erweiterung aus heutiger Sicht durch die gleichzeitig erfolgende Arbeit am Hexagon-Kartell – möglicherweise wurde mit der zugrunde liegenden Engine dahingehend experimentiert, auch 3D-Modelle von Formel 1-Boliden spielbar zu machen. Aber auch hier wissen wir: Ein solches Spiel im Formel 1-Zirkus ist von Ascaron nie veröffentlicht worden.

Der auch heute noch bekannte „Grand Prix Manager“ von Microprose erschien im Weihnachtsgeschäft 1995 quasi gleichzeitig. Im relativ direkten Duell in der PC Joker konnte das Ascaron-Produkt immerhin 85% absahnen, während das Microprose-Spiel „nur“ auf 81% kam – eine Ausgabe später. Interessant ist dazu der Fakt, dass die Mitbewerber von Software 2000 (die auch im Fußballmanagergenre ernste Konkurrenten waren) wenige Monate später ebenfalls ein genregleiches Spiel namens „F1 Manager 96“ veröffentlichten. Hier vergab der PC Joker 86%. Wer das Spiel je gespielt hat, weiß allerdings, dass der Joker maximal eine Saison getestet haben kann, denn mit diesem Spiel bekam der gute Ruf von Software 2000 die ersten fetten Kratzer. Aber das ist eine andere Geschichte und soll andermal erzählt werden.

Von „Elisabeth I.“ wiederum war auch Ende 1995 nicht viel zu hören. Wobei man fairerweise sagen muss, dass das Spiel im betreffenden Sommer für den Herbst 1995 angekündigt wurde. Und auf der ECTS im Herbst 1995 wurde daher quasi das gleiche Portfolio wie schon ein halbes Jahr eher vorgestellt – nur, dass das Hexagon-Kartell eben einen Namen hatte und Pole Position kurz vor der Veröffentlichung stand.

In der PC Player Nr. 8/1996, welche im Juli 1996 erschien, fand der an historischen Wirtschaftssimulationen interessierte PC-Spieler einen Testbericht über ein Spiel namens „Elisabeth I.“ - mehr als drei Jahre nach dem einst vorlaut verkündeten möglichen Releasetermin. Wieder einmal überzeugt das Spiel zumindest halbwegs, Mick Schnelle vergibt ebenso wie Boris Schneider-Johne zufriedenstellende drei von fünf möglichen Sternen im Test, wenn auch die Kritik deutlich wird, dass man dem Spiel die so lange Entwicklungszeit nicht immer positiv anmerkt: Der Handelsteil wirke zu aufgesetzt, eigentlich sind zu wenige Quests enthalten und die Idee der Videosequenzen sei zwar prima, aber die Qualität schwanke zwischen, Zitat der PC Player, „laienhaft und unterem Stadttheaterniveau“. Das Handbuch zu Elisabeth I. ist dabei ein besonderes Schmuckstück unter den Spiele-Handbüchern. Neben einer ausführlichen Spielanleitung über rund 50 Seiten gibt es ausführlichen geschichtlichen Hintergrund zu den damaligen Verwicklungen zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart auf über 60 Seiten. Natürlich ist es möglich, dass das Schreiben dieses Teils einen Großteil der Entwicklungszeit gefressen hat... Dennoch, als „Patrizier Reloaded“ bekommt das Spiel recht gute Wertungen (PC Joker: 83%, Power Play 76%) und vor allem die schöne Grafik wird hervorgehoben. Und ein gewisser Carsten Borgmeier, der in der Joker-Redaktion zuhause war, hat dazu ein sehr nettes Cluebook geschrieben, welches dem nicht so handelstüchtigen Spieler gehörig unter die Arme greifen konnte.
Packshot von Elisabeth I.

Das Handbuch alleine ist einen Blick wert - falls man historisch interessiert ist.
Das zu der Zeit fast obligatorische Cluebook von Herrn Carsten Borgmeier.
Während all dieser Zeit war Ascon jedoch nicht nur im Inland tätig. Schon bald nachdem der Patrizier veröffentlicht wurde, gründete Holger Flöttmann die ASCON Ltd. in London, die daraufhin den Vertrieb der ins Englische bzw. Französische übersetzten Spiele übernahm. Im Dezember 1993 wagte man gar den Schritt nach Übersee und brachte den Patrizier in Amerika an den Mann. Auch Anstoss sollte grenzübergreifend verkauft werden: Als „On the ball“ oder „Carton Rouge“ wurde Anstoss um den Jahreswechsel 1994/95 auch in England und Frankreich ein Verkaufsschlager. Auch die weiteren Spiele Pole Position (als „Team F1“) und Elisabeth I. (als „Gloriana“) wurden kurze Zeit nach den Releases entsprechend lokalisiert in den weiteren großen Märkten veröffentlicht. Die Anstoss WCE erschien z.B. als „Hopp Schwiiz!“ bei den Eidgenossen. Beinahe erwartungsgemäß war der Patrizier im englischsprachigen Raum eher nur ein mittelmäßiger Erfolg. Aber dieses Schicksal teilten in der Vergangenheit schon viele deutsche Produktionen...

P.S. Die PC Games hat im Frühjahr 2003 Ascaron besucht. Das Video haben Sie damals auf einer der PC Games-DVDs veröffentlicht, Interessierte können sich das Video unter https://www.youtube.com/watch?v=mMpszpyPDKc ansehen.


Freitag, 27. November 2015

Interview: Daniel Dumont

Liebe Ascaronfans! Heute habe ich was besonderes für Euch alle: Daniel Dumont war so freundlich und hat uns ein Interview gegeben. Danke, Daniel! Und nun viel Spaß beim Lesen.

Foto von www.ascaron.com, gefunden auf archive.org

AFP: Deiner Vita ist zu entnehmen, dass du diplomierter Physiker bist. Und nun arbeitest du schon fast 20 Jahre in der Spielebranche - wie kam es dazu? Hast du damit ein Hobby zum Beruf gemacht?

DD: Das war eher ein Zufall. Damals hatte man ja noch nicht im Internet nach freien Stellen gesucht sondern orientierte sich am Stellenmarkt der großen Tageszeitungen. Beim Durchstöbern der Anzeigen traf ich dann auf die Anzeige einer Personalagentur, die jemanden für die Spieleentwicklung suchte. Da Computerspiele schon immer eins meiner Hobbys waren, habe ich mich dann einfach mal spaßeshalber beworben – und landete dann bei Ubi Soft.

AFP: Dein erster Crediteintrag bei Ascaron ist die Co-Projektleitung bei Grand Prix 500 ccm. Eine verantwortungsvolle Position in einem damals überschaubaren Betrieb. Wie kam es damals zum Wechsel von Ubisoft zu Ascaron?

DD: Ich wollte gerne direkter an der Entwicklung von Spielen beteiligt sein und habe von einem Kollegen erfahren, dass Ascaron nach einem Projektleiter sucht. In der Anfangsphase habe ich dabei erst einmal Holger unterstützt – den Geschäftsführer und Gründer von Ascaron.

AFP: Gibt es noch die ein oder andere Anekdote aus der Entwicklung des für Ascaron-Verhältnisse eigentlich ungewöhnlichen Spiels? (Anekdoten zu anderen Spielen sind natürlich ebenso gern gesehen)

DD: Es gibt natürlich zu jedem Spiel etwas zu erzählen, aber dann wäre ich lange mit Schreiben beschäftigt. Bei GP500 kommt mir aber sofort in den Sinn, dass Holger zu dieser Zeit eben begeisterter Motorradfahrer war und sogar einen jungen Gütersloher Rennsportler gesponsert hat. So kam es dann zu der Idee für ein Motorradrennspiel und das Team erhielt gleichzeitig Einblick in die Technik. 

AFP: Das Spiel erschien einige Zeit später auch für die PSOne. War die Konvertierung für die bisherige PC-Spiel-Schmiede eine große Herausforderung? Was war der Anlass, erstmals auch für die Konsole zu produzieren? War dies nicht ein erhebliches Risiko für Ascaron, gerade in Anbetracht der kolportierten hohen Vorgaben um als PS-Entwickler zugelassen zu werden?

DD: Die Engine war eine ziemlich große Herausforderung, weil die Anzahl der Polygone, die gleichzeitig zu sehen waren, an die Framerate angepasst wurde. So konnte diese konstant gehalten werden. Das Interface mit den ganzen Telemetrie-Dialogen haben wir an die Neon Studios rausgegeben. Die saßen damals in Frankfurt. Neon hatte mit der PSOne schon vorher viele Erfahrungen gesammelt und daher war das alles nicht so wild.

AFP: Das danach folgende Projekt wird auch heute noch sehr verehrt - wie z.B. in der aktuellen Retro Gamer 01/2016 als "der beste Teil der Reihe" mit einer "fast perfekten Steuerung". Die Rede ist von Patrizier 2. Inwieweit gab es bestehende Planungen, das sehr erfolgreiche "Patrizier 1" fortzusetzen, schon bevor du bei Ascaron angefangen hast? Oder hast du das Konzept quasi "mitgebracht"?

DD: Tatsächlich kam die Idee für Patrizier 2 nach GP500. Wir haben über eine neue Spielidee nachgedacht und just zu dieser Zeit wurde von den Fans im Forum der Wunsch nach einem Nachfolger von „Der Patrizier“ laut. Die Idee gefiel mir gut, da mich die Entwicklung einer richtigen Handelssimulation sehr gereizt hat. Das Konzept ist dadurch quasi meinem Studium zu verdanken, denn da hatte ich schon mit Simulationen anderer Art zu tun.

AFP: In einer im Internet frei aufrufbaren Diplomarbeit hat ein Student das Projekt "Patrizier 2" begleitet. Ein deutlicher Unterschied zu den ebenfalls betrachteten Spielen war u.a. die hohe Anzahl der Betatester, für die es sogar ein kleines Dankeschön-Fest gab. Auch später wurde es fast zur Tradition, derart große Betatests durchzuführen. Waren derart umfangreiche Tests bei solch komplexen Spiel die erste Wahl zur Bugbehebung?

DD: Damals auf jeden Fall. Es gab noch keine externen Teststudios und die interne Testabteilung bestand nur aus ein paar Leuten, schließlich hatten wir ja nicht dauernd so komplexe Spiele.

AFP: Da möchte ich kurz einhaken: Ascaron hat sich später mit der Quality Four GmbH in Potsdam genau ein solches externes Teststudio aufgebaut. Presseberichten nach war diese GmbH auch mit der QS für Anstoss 2007 beauftragt, ein Auftrag, der eher suboptimal erfüllt wurde. Wie waren deine Erfahrungen mit diesem Teststudio?

DD: Einfach nur ein Teststudio zu haben, reicht natürlich nicht. Die Kommunikation mit dem Studio ist sehr wichtig und man muss es mit funktionierenden Versionen versorgen. Ich könnte mir vorstellen, dass es in der Endphase von Anstoss 2007 mal wieder rund ging und daher auch gar nicht genug Zeit war, um alle Fehler zu beseitigen, die gefunden wurden. Ich hatte mit Quality Four erst bei Sacred 2 für die Konsolenversionen zu tun, kann mich da aber an nichts Negatives erinnern. Da war unser Hauptproblem, das wir eine bugfreie PC-Version als Grundlage brauchten und mit der Engine zu kämpfen hatten, d.h. wir kannten unsere wichtigsten Hürden selbst.

AFP: Nach Patrizier 2 gingen die Planungen zu einem AddOn - allerdings kam Mitte 2001 die erste Insolvenz von Ascaron dazwischen. Im Internet ist zu lesen, dass ein geplatzter Deal mit Infogrames dies erheblich begünstigte. Wie hast du diese Zeit erlebt? Wie beeinflusste dies deine Projekte?

DD: Wir waren gerade mit Port Royale (Teil 1) beschäftigt, als uns das Geld ausging. Holger konnte aber noch einen Investor finden, auch weil Port Royale schon weit fortgeschritten war. Es war eine aufregende Zeit, weil wir immer wieder verschiedene Möglichkeiten durchgespielt haben, wie es weitergehen könnte. Wirklich wild war es aber vor allem für Holger, der sehr darum gekämpft hatte, dass es weitergeht. Schließlich war der Insolvenzantrag nicht mehr aufzuhalten. Ironischerweise half uns aber der Insolvenzverwalter, denn der fand einen branchenfremden Investor. Kein einziger Mitarbeiter musste entlassen werden.

AFP: Von der Insolvenz betroffen waren meines Wissens nach auch ein mögliches Anstoss-3-AddOn "Golden Goal" und das Action-Adventure "Artefact". Gerade zu letzterem gibt es heute fast nichts mehr im Netz zu finden. Kannst du ein wenig Licht ins Dunkel bringen und uns etwas zu Artefact sagen? Das Spiel wurde ja kurioserweise mit einem Preis für das beste Intro ausgezeichnet, obwohl es nie erschien.

DD: „Artefact“ sollte von einem Kölner Team entwickelt werden. Die hatten die Idee dazu und Ascaron wollte mit ihnen einen Publishing-Deal machen. Leider kamen sie nach der Grundidee und dem Trailer nicht sehr viel weiter. Weder die Story noch die Technik wurde in der vereinbarten Zeit brauchbar weiterentwickelt, so dass Ascaron gezwungen war, den Deal abzubrechen.

AFP: Port Royale veränderte das bewährte Patrizier-Prinzip um einige Actionelemente. Auch hier waren die Testergebnisse sehr gut - dennoch plagte die Releaseversion einige sehr üble Bugs. Rückblickend: Waren es kaufmännische Zwänge, die zur vorzeitigen VÖ führten oder gab es andere Gründe?

DD: Patrizier 2 und Port Royale 1 kamen aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und getroffener Vereinbarungen zu früh auf den Markt und waren ziemlich verbuggt. Es galt bei vielen immer die Vorstellung, dass es besser sei sich an die Termine zu halten. Zwar verärgere man dadurch die Gamer, doch die könnte man dann mittels Patches und zusätzlichen Inhalten wieder auf Kurs bringen. Doch der Imageschaden wurde komplett vernachlässigt. Nach Port Royale 1 habe ich mir geschworen, nie wieder ein verbuggtes Spiel auf den Markt zu bringen, egal aus welchem Grund. Port Royale 2 war bereits vorbildlich – hier wurden wir sogar von der Presse gelobt. Fortan galt dies für alle Spiele, die in meiner Verantwortung entwickelt wurden und gilt noch heute.

AFP: Ein weiteres Spiel mit "P" erschien bald danach: Piraten - Herrscher der Karibik. Basierend auf dem Klassiker "Pirates!" ein rundum erneuertes Port Royale ohne wesentlichen Handelsteil, dafür mit hohem Actionteil. Die Neuauflage wirkte dennoch ein wenig unausgereift, und blieb ähnlich wie Ballerburg ein Nischentitel. War dies basierend auf dem im gleichen Jahr erschienenen, sehr erfolgreichen Blockbuster "Fluch der Karibik" der Versuch, auch etwas vom Kuchen der Piratenthematik abzubekommen?

DD: Tatsächlich gehörte „Piraten – Herrscher der Karibik“ zu den erfolgreicheren Titel von Ascaron, denn das Spiel war als Spin-Off von „Port Royale“ einfach und günstig zu entwickeln und kam weltweit zu einem günstigen Preis in den Handel. Wir haben das Spiel aber nicht gemacht, weil gerade „Fluch der Karibik“ ins Kino kam sondern einfach, weil wir in der Vorbereitungsphase zu „Port Royale 2“ nicht alle Entwickler brauchten und sie irgendwie beschäftigen mussten.

AFP: Port Royale bekam bald einen würdigen Nachfolger. Zugunsten des Actionteils wurde der Handelsteil etwas reduziert. War diese Abkehr von reinen WiSims zu Hybridspielen eine Folge der geänderten Marktnachfrage - weniger Strategie, mehr "Gamepad"?

DD: Wir haben nach „Port Royale“ versucht, das Spiel weniger freakig zugestalten und wollten vor allem International neue Kunden erschließen. Doch heute weiß ich, dass dies nicht aufgehen kann. Die Handelssimulation ist vom Prinzip her etwas für Freaks. Verwässert man sie, verärgert man die Freaks, gewinnt aber keine neuen Kunden dazu.

AFP: Nach den Schwerpunkten bei den WiSims hast du das Projekt "Darkstar One" geleitet. Die Presse gab sehr gute Kritiken, doch leider war Ascaron damit offensichtlich kein wirtschaftlicher Erfolg gegönnt. Woran hat das gelegen deiner Meinung nach? Was hat dich veranlasst, DSO zu machen - in dein bisheriges Portfolio passt es ja nun nicht gerade auf Anhieb?

DD: Mein größter Traum war es immer schon, eine Art „Elite“ zu machen. David Brabens Meisterwerk von 1984. Da wir uns durch unsere Handelssimulationen mit der Simulationen großer Spielwelten mit vielen „agierenden Objekten“ gut auskannten, war wenigstens ein kleiner Teil des Weges sicher. Ein großer Erfolg war uns nicht beschienen, doch es spielte die Kosten ein. Ursprünglich war immer gedacht, es auch auf Konsole raus zu bringen. Doch da sich der Erfolg in Grenzen hielt, wurde das nach hinten verschoben, denn es wurde dringend für Sacred 2 ein Team gesucht, das die Konsolenportierung übernimmt. Ironischerweise haben wir DSO später bei Gaming Minds für die Xbox360 portiert. Das war Ruckzuck erledigt und spielte fast nochmal genauso viel ein wie die PC-Version. So gesehen war DSO sogar ziemlich erfolgreich, wenn auch nicht für Ascaron.
Ansonsten glaube ich, das DSO beim Release der PC-Version nicht bekannt genug war. Gute Weltraumspiele waren zu dieser Zeit so selten, dass niemand mehr darauf gewartet oder geachtet hat. Leider wurde zu dieser Zeit auch noch sehr viel kopiert. Ich weiß nicht, ob es was geändert hätte, aber ich weiß noch, wie wir einige Tage nach Release 1000 Torrent-Downloads pro Tag beobachten konnten. 

AFP: Für den Vertrieb von DSO war Ubisoft zuständig, wie im Dezember 2005 bekannt wurde. Nach Infogrames und Big Ben erneut ein großer Name, dazu dein ehemalige Arbeitgeber. Jetzt kannst du es ja sagen: War da ein wenig Vitamin B im Spiel?

DD: Ubi Soft macht keinen Deal mit Garantiemengen aufgrund von Vitamin B. Aber es hat geholfen, die Jungs zu kennen, als ich ihnen das Spiel auf der Gamescom 2005 in Leipzig präsentiert habe.

AFP: An Sacred 2 hast du an den Konsolenumsetzungen mitgewirkt. Aufgrund der unterschiedlichen Bedienung und der damit zu bewältigenden Spieltiefe halte ich Sacred 2 am PC und an der Playstation für quasi zwei verschiedene Spiele. Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen gab es bei der Konsolenfassung von einem so großen Projekt wie Sacred 2? 
Wieso konnten/wollten Sony und Microsoft das Spiel zuerst nicht freigeben - eine Verzögerung gab es ja?

DD: Das Interface war für die Konsole überhaupt nicht geeignet, denn am PC hatte man ja sehr viele Tasten und anklickbare Slots zur Verfügung. Also mussten wir für die Konsolenversion einige Automatiken implementieren, die die Bedienung änderten oder vereinfachten. Technisch war das Spiel natürlich auch eine Herausforderung, denn die Welt war ja aus einem Guss und so musste erst einmal eine intelligente Nachladetechnik entwickelt werden. Wir kamen bei Sony und Microsoft einfach deshalb nicht durch, weil das Spiel dazu bugfrei und technisch sauber sein musste. Zum einen benötigten wir eine einigermaßen bugfreie PC-Version, denn damit war es zum Release der PC-Version noch nicht getan. Zum anderen waren die Konsolenversionen bei Release der PC-Version technisch noch nicht ausgereift genug für die Einreichung bei Sony und Microsoft.

AFP: Leider haben die hohen Invesitionskosten in Sacred 2 Ascaron das Genick gebrochen. Im Rahmen der Insolvenz übernahm Kalypso viele Assets und gründete mit dir als Geschäftsführer die Gaming Minds Studios. 
Seitdem wurde Patrizier fortgesetzt, auch Port Royale bekam einen dritten Teil und nicht zuletzt wurde mit Rise of Venice eine weitere gute WiSim im mittelalterlichen Ambiente veröffentlicht. In diesem Bereich dürft ihr euch also als legitime Nachfolger fühlen. Was erwartet uns als nächstes von den Gaming Minds Studios?

DD: Wir sind auf jeden Fall die legitimen Nachfolger, denn es handelt sich bei Gaming Minds um das ehemalige Ascaron-WiSim-DSO-Team. Sogar einer der Entwickler von „Der Patrizier“ ist noch bei uns. Mit vielen bei Gaming Minds arbeite ich seit meinen ersten Tagen bei Ascaron zusammen. Gerade haben wir „Grand Ages: Medieval“ herausgebracht, für PC, PS4 und Linux, Mac OS kommt noch. Hierbei handelt es sich um ein mittelalterliches Eroberungsspiel mit Handels- und WiSim-Elementen. Wir werden in Zukunft eher für den Strategiebereich entwickeln.

AFP: Kurzer Rückgriff auf Patrizier dr…, äh, 4: War das Spiel bereits in der Entwicklung, als Kalypso die Assets von Ascaron übernommen hat? 

DD: Nein. Während sich die Zeit bei Ascaron dem Ende zu neigte, hat sich Kalypso direkt bei mir gemeldet und gefragt, ob wir mit dem Team ein neues Studio gründen und als erste Amtshandlung eine Fortsetzung von Patrizier entwickeln wollen.

AFP: Nehmen wir einmal „unlimited“ Ressourcen an: Gibt es ein Spiel in deiner Geschichte (ob Ascaron oder einfach nur selbst gespielt), welches du gerne überarbeitet oder als Remake rausbringen wollen würdest?

DD: Von Spielen, die ich selbst extrem gerne gespielt habe, sehe ich jetzt mal ab, denn wenn man ein Spiel selbst entwickelt hat, fehlt beim Spielen der Überraschungseffekt. Von meinen eigenen Spielen würde ich Darkstar One nochmal neu auflegen. Das Universum größer machen, eine tolle Story drüber legen und darauf achten, dass man als Spieler auch neben der Story viele Nebenquests und haufenweise Abwechslung hat.

AFP: In den Spielen "DSF Fußball Manager" und "Hell-Copter" wurdest du mit einem Special Thanks versehen - weißt du noch, wie es dazu kam?

DD: Der „Football World Manager“ wurde ja von Ubi Soft entwickelt als ich noch tätig war. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, aber vielleicht habe ich da irgendwas mitgeholfen. An „Hell-Copter“ erinnere ich mich noch genau. Zwei Entwickler des polnischen Studios „Drago Entertainment“ haben uns damals bei Ubi Soft das Spiel angeboten und ich habe es mir angeschaut. Das Spiel war in einer frühen Phase und irgendwie standen die Entwickler auf dem Schlauch, in welche Richtung sie das Spiel weiterentwickeln könnten. Ich hatte ihnen daher mitgeteilt, wie ich mir das vorstellen könnte. Später – als ich schon bei Ascaron war - sagten sie mir, ich hätte ihnen genau die Anregung gegeben, die sie brauchten. Sie haben das Spiel fertiggestellt und über Ubi Soft herausgebracht.

AFP: Gibt es noch etwas, was du den immer noch vorhandenen Ascaronfans auf den Weg geben möchtest?

DD: Oje, bei sowas bin ich nicht gut. Ich kann nur abschließend sagen, dass es bei Ascaron eine bewegte aber auch schöne Zeit war und das der enge Kontakt mit der Community – auch bei den vielen Treffen, die es zu Anstoss und Patrizier gab – etwas sehr besonderes war. Ich werde das nie vergessen und irgendwie fließen die Erfahrungen, die wir dadurch gemacht haben, ja heute auch noch in unsere Arbeit ein.

- Ende -



Nochmals vielen Dank für die ausführlichen Antworten und weiterhin viel Erfolg und Gesundheit, Daniel Dumont!

Montag, 2. November 2015

Review: Elisabeth I.






Als letztes Spiel unter dem ursprünglichen Firmennamen Ascon wurde Elisabeth I. im Juni 1996 (endlich) veröffentlicht. Bereits im Frühjahr 1993 wurde dieses Spiel direkt nach der Veröffentlichung des Patriziers als weitere historische Wirtschaftssimulation angekündigt. 

Elisabeth spielt Mitte des 16. Jahrhunderts und war eine grafisch sehr hübsche Simulation (naja, die Bilder wären 1993 bestimmt noch schöner anzusehen), die zu Beginn auch für den Amiga vorgesehen war. Ergänzend zu der guten Simulation gab es einige Missionen zu erfüllen, wobei die Rahmengeschichte mit kurzen, kleinen Videos echter Schauspieler erzählt wurde. Auch hier war die Spielzeit begrenzt, denn bis zum Angriff der spanischen Armada auf England im Jahre 1588 musste man das Spielziel erreicht haben: Erster Berater der Königin zu sein. 

Der Autor des C64-Spiels Hanse, Ralf Glau, war an diesem Spiel beteiligt, was zumindest für reichlich Vorschußlorbeeren sorgte.Das Besondere an diesem Spiel ist, dass man neben dem bei fast jedem Ascaron-Spiel notwendigen Handelsgeschick nun auch noch ein wenig Piratenkönnen zeigen muss.


Leider war Elisabeth in der Releaseversion unspielbar, da durch einen nicht rechtzeitig (sic!) entdeckten Bug in einem Quest dieser nicht lösbar war. Natürlich wurde der entsprechende Patch sehr schnell nachgeliefert, aber dem Ruf war das alles andere als zuträglich. Zumal das Spiel ja nun mindestens drei Jahre mehr Entwicklungszeit auf dem Buckel hatte, als ursprünglich angekündigt. Daneben gab es noch ein paar mehr Ungereimtheiten im Spiel, wie vertauschte Grafiken oder unausgewogene Reaktionen auf Handlungen des Spielers.Dennoch war die Presse von diesem "Patrizier Reloaded" recht angetan, die PC Games vergab sogar 79%.

Auch das Handbuch verdiente noch den Namen: Neben der Erläuterung der Bedienung des Spieles war die Hälfte des Heftes für eine ausführliche geschichtliche Erläuterung der damaligen Zeit reserviert. Ein netter Mehrwert, von dem sich so mancher Hersteller heute noch eine Scheibe abschneiden könnte.

Das Spiel wurde auch ins Englische und ins Französische übersetzt: Analog zum Spitznamen von Elisabeth I. wurde das Spiel in England unter "Gloriana" vertrieben.

Fazit: Ein Anspielen ist es allemal wert, wer aber tatsächlich Wert auf eine ausgereifte Handelssimulation liegt, sollte sich den Patrizier 2 holen. Die Videosequenzen sind jedoch immer mal einen Lacher wert - und wer genau aufpasst, kann Mario Endlich als Statisten entdecken.

Zahlen / Daten / Fakten:

Name: Elisabeth I.
Genre: Historische Wirtschaftssimulation
Erscheinungsdatum: Juni 1996
Systeme: PC (Amiga während der Entwicklung eingestellt)
Beteiligte (Auswahl): Ralf Glau, Frank Guntenhöner, Andreas Hancock, Jörg Laurien, Dirk Schulz, Celal Kandemiroglu, Christiane Pfeifer, Dag Winderlich
Projektleitung: Frank Guntenhöner

Idee / Konzept: Ralf Glau, Frank Guntenhöner

Montag, 19. Oktober 2015

Die Ascaron-Chronik: Kapitel 1

Die Gründung von ASCARON

Mitte der Achtziger. Die Heimcomputer sind in aller Munde, und in Gütersloh, einer eher mittelgroßen Stadt in Westfalen wird von der Firma Rainbow Arts GmbH so mancher Klassiker für die guten, alten Computer wie den C64 veröffentlicht. Ein junger, talentierter Mann namens Holger Flöttmann – Jahrgang 1966 - wirkt als Grafiker bei einigen dieser Titel mit, so z.B. in Amiga-Spielen wie „In 80 Days around the World“, „Starball“ oder auch dem weniger bekannten „The Final Trip“. So kam er in den Genuss mit bekannten Namen wie Chris Hülsbeck zu arbeiten, Leuten, die heute in Retrokreisen immer noch sehr angesehen sind.

Scheinbar gefiel Flöttmann das Programmieren sehr, denn bereits 1988 gründete er die viel beachtete Softwarefirma Thalion Software GmbH, ebenfalls in Gütersloh ansässig. Unter seiner Regie erschienen Spiele wie das bis heute bewundernswerte Meisterstück „Chambers of Shaolin“, „Enchanted Land“ oder „The Seven Gates of Jambala“, bei denen er auch weiterhin u.a. als Grafiker in Erscheinung tritt. Bei Thalion ist Jochen Hippel sein Arbeitskollege, ebenfalls ein bis heute in Retrokreisen verehrter Chip-Musiker.

Thalion entstand ursprünglich aus einer Gruppe von befreundeten Atari ST-Demo-Codern, die aus ihrer Erfahrung mit dem Gerät endlich Profit schlagen wollten. Die ersten Veröffentlichungen dieser Firma wurden zunächst auf dem Atari ST programmiert, was angesichts der eigentlichen, technischen Überlegenheit des konkurrierenden Amigas bemerkenswert ist. Die Vision war immer, das technisch mögliche der limitierten Rechner auszureizen, wie man z.B. gerade an den Sounds von „Chambers of Shaolin“ oder auch am wunderbaren Scrolling in „Warp“ für den Atari ST gut erkennen kann.

So sammelte Flöttmann schon in jungen Jahren erste Erfahrungen in der umkämpften Spieleszene, zu einer Zeit,in der die Projekte herausfordernder wurden und nicht mehr wie in der Goldgräberzeit zu Beginn der Achtziger allein in Heimarbeit vor dem Commodore am Fernseher erstellt wurden. Diesen durch die ausweitende Projektierung von Softwareprodukten entstehenden Kostendruck merkte man auch bei Thalion.

In 1991 erfolgt bereits die Trennung Flöttmanns von Thalion. Fakt ist, dass die Spiele, die Thalion Ende 1990 veröffentlicht (u.a. „Leavin Teramis“), nicht den gewünschten Markterfolg haben und auch in den diversen Spielezeitschriften keine überschwänglichen Meinungen über die Qualität der Spiele herrschen. Dazu kommt, dass weiterhin zwei wichtige Mitarbeiter den Laden verlassen, namentlich der Autor Richard Karsmakers und Programmierer Marc Rosocha. Also wird Thalion an Ariolasoft verkauft. Mit handelsregisterlicher Wirkung per 15. Juli 1991 erlischt Holger Flöttmanns Geschäftsführereigenschaft bei Thalion. Der Weg ist frei für die Gründung von Ascon.

Fun Fact: Im J.R.R. Tolkiens Silmarillion gibt es einen Menschen namens „Hurin Thalion“, wobei Thalion für „der Standhafte“ steht.

Die Ascon Software GmbH hatte ihren Sitz in der Brockhagener Str. 461 in Gütersloh. Gegründet wurde die GmbH am 08. August 1991. Nach eigener Aussage und Intention sollte Ascon der Vertrieb für viele kleine engagierte Labels in Deutschland sein.



Ascon (der ursprüngliche Name) sollte einfach nur möglichst weit vorne im Alphabet stehen, da bot sich das "A" an. Danach war er bei der Namensfindung schnell bei "As", weil ein As ein positiver Begriff ist. Das "con" kam hinzu, weil es irgendwie technisch klang und damit für Computerspiele passte.“ (Zitat Eric Deters, ehemaliger Ascaron-Mitarbeiter)

Ascon war daher zunächst einmal als Publisher für einige Spiele tätig, darunter das Plattform-Spiel „Monster Business“ von Eclipse, eine ebenfalls junge Softwarefirma, die von eben genanntem Marc Rosocha ins Leben gerufen wurde. Weiterhin wurde das durchschnittliche Knobelspiel „Th!nk Cross“ vertrieben, ein Werk der österreichischen Max Design. Und vor der ersten Eigenproduktion kam noch das nächste Denkspiel für DOS-PCs heraus, ein Spiel namens „Turn It 2“.

Im Juni 1992 legte Ascon den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft. Vom bis dato unbekannten Team Triptychon übernahm Holger Flöttmann das Atari ST-Spiel „Die Pfeffersäcke“, und entwickelte es weiter zu „Der Patrizier“: 


Packshot von "Der Patrizier"



Damals lohnte sich das Auspacken noch. Ein ordentliches gedrucktes Handbuch, eine übersichtliche Karte - das geht heutzutage schon als Special Edition durch.



Sogar ein Lösungsbuch gab es damals.



Und der legendäre Ascaron-Humor sollte auch nicht fehlen.


Eine historische Wirtschaftssimulation, wie sie bisher in der Qualität nicht häufig zu sehen war. Die Grafik war hervorragend und dazu witzig, die Spieltiefe suchte seinerzeit ihresgleichen. Zugleich war das Spiel aber keine langweilige animierte Exceltabelle, wie es den teutonischen WiSims immer wieder nachgesagt wurde. Mit viel historischen Details kann das Spiel auch heute noch begeistern. Die tolle Idee hinter dem Spiel wurde mit zahlreichen Auszeichnungen belohnt und belegte in den Verkaufscharts monatelang den ersten Platz. Ein grandioser Start für eine junge Firma, deren zukünftige Spiele allein aufgrund dieses fantastischen Spiels mit reichlich Vorschusslorbeeren versehen wurden. Der Patrizier wurde für den PC nach einem guten halben Jahr nochmals neu aufgelegt, diesmal aber dem CD-ROM-Trend folgend: Neue Grafiken, animierte Cutszenen und Musik von CD. Die neue Version kam bei der Presse abermals gut weg, auch wenn aus heutiger Sicht der Mehrwert des Spiels allein in medialen Erweiterungen beschränkt blieb. Sogar ein Lösungsbuch wurde veröffentlicht, allerdings vom Sybex Verlag. Ein nettes kleines Büchlein. Ein Rätsel bleibt aber bislang, wer die hinter Triptychon stehenden Personen im einzelnen sind...

Es wird kolportiert (s. hier), dass aufgrund der damals noch sehr überschaubaren Truppe und der geringen Größe des Unternehmens eine Produktionsmarge von sage und schreibe rund 65% für Holger Flöttmann übrig blieb. Bei Verkäufen von rund einer viertelmillion Exemplaren und zu dem damals normalen Preis von 120 Mark (umgerechnet rund 61 Euro) blieben also stolze Nettoeinnahmen von rund 17 Mio. DM (Ergänzung vom 23.06.2018: Unter Kaufkraftgesichtspunkten sind 120 Deutsche Mark von 1992 heutzutage rund 103 Euro! Vielen Dank an Nicolas vom Anstoss-Jünger-Forum für diesen Hinweis!). Nur zum Vergleich: Weder FIFA 13 noch FIFA 14 haben in Deutschland die Schallmauer von mehr als 200.000 verkauften Exemplaren auf dem PC durchbrochen. Diese Nettoeinnahmen werden allerdings von ehemaligen Ascaron-Mitarbeitern in dieser Höhe als "nicht ansatzweise" bestritten.

Dies war der donnernde Startschuss für einen bemerkenswerten Spieleentwickler, einen, der bereits früh den Kontakt zu den Fans suchte und dessen Communitynähe zu seinen besten Zeiten beispielhaft war. Und die größten Würfe sollten erst noch folgen.

Übrigens, wer es damals geschafft hat, in Patrizier zum Eldermann zu werden, der konnte an Ascon schreiben und bekam die sogenannte „Eldermann-Nadel“ geschenkt. Hat jemand noch diese edle Anstecknadel in Form das Ascaron-Drachen zuhause?


(Quelle: http://www.rassware.de/games-der-patrizier.php)


Retro-Fans unter euch kennen bestimmt die Podcast-Serie von Gunnar Lott und Christian Schmidt „Stay Forever“. Das Spiel Patrizier hat eine eigene Folge bekommen, die ihr unter http://www.stayforever.de/2015/03/folge-42-der-patrizier/ findet. Unbedingt reinhören!

Sonntag, 18. Oktober 2015

Ascaron-Allerlei: Teil 1

Heute: Die schönsten Fan- und Merchandisingartikel, Episode 1


Ein ganz tolle Schirmmütze.Ich glaube, die hätte ich nicht mal zum Fanfest freiwillig aufgesetzt. Die habe ich aber auch noch nie in freier Wildbahn gesehen.


Gleichzeitig im Angebot: Das prachtvolle T-Shirt mit dem Ascon-Logo. Naja, geht so. Auch noch nicht auf dem freien Markt gefunden.


Dies war ein Motiv von den zahlreichen Anstoss 3-T-Shirts und -Tassen, die es gab. Ich habe zwar etliche Shirts davon, aber ausgerechnet dieses Motiv fehlt mir.


Auch von Devastation gab es ein T-Shirt. Ich hab auch eines davon, war eigentlich sogar eine ganz gute Qualität. Wahrscheinlich aber ein besonders rares Stück. Die Limited Edition von Devastation, die 2003 erschien, beinhaltete ein T-Shirt. Diese war allerdings auf magere 100 Stück begrenzt.


Montag, 12. Oktober 2015

Review: Anstoss 2005



Anstoss 2005 ist der - je nach Zählweise - fünfte oder sechste Teil der erfolgreichen Fussballmanager-Reihe. Basierend auf Anstoss 4 und Anstoss 4 Edition 03/04 war Anstoss 2005 eine Weiterentwicklung und erschien nach den zu der Zeit neuen Regeln der Saison. Dazu war es im Midpricesegment angesiedelt, insofern ein fairer Preis für ein Spiel, welches streng genommen bereits zum 2. Male aufgewärmt wurde.

Was gab es Neues? Mehr Traineransprachen, erweiterter Textmodus, mehr Illegales. Dazu eine überarbeitete Transferlogik und ein ordentlich aufpoliertes Interface.

Ansonsten war immer noch sehr viel von den bisherigen Vorgängern zu sehen: Der Humor war nicht mehr ganz so präsent, aber angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz aus dem Hause EA war auch der Trend zu etwas "ernsthafterem" Managen gefragt. Und so waren vorberechnete 3D-Szenen enthalten, ein nach meinem Geschmack etwas müder Textmodus, dafür aber kurioserweise dank relativer Bugfreiheit nach einigen Patches eine tolle Langzeitmotivation, auch wenn es weiterhin einen dicken Fehler in Sachen Stadionneubau gab (und gibt). 

Nach einer Weile hat man den Dreh raus - Finanzen ans Laufen bekommen, Jugend auf Vordermann bringen und dazu mit ein bisschen Glück ablösefreie Spieler zum Saisonende einsacken. Auch heute ist Anstoss 2005 immer noch ein guter Manager, der sogar mit Originaldaten gepflegt wird. Es ist vielleicht nicht gerade Anstoss 3, was den Spielwitz und die Spieltiefe angeht, aber nach dem unfassbar sterilen Anstoss 4 und der immerhin schon den richtigen Weg einschlagenden Edition 03/04 kam Anstoss 2005 schon nah daran, wie ein richtiger Nachfolger von Anstoss 3 zu wirken, auch wenn es immer noch ein paar Designschnitzer zu bemängeln gab.

Hier ein paar Screenshots aus einem meiner Dauerspielstände.


Philip Abächerli, einer meiner besten Torschützen.

68 Jahre bei einem Verein und mehr Titel als der Rest der Tabelle zusammen. Von Pep Guardiola redete damals noch keiner.

So sah die Jugend damals aus: Nur A- und B-Jugend. Aber manchmal echte "Kaiser" darin.



Ein schönes Spiel. In der 82. Minute 0:3 hinten liegen um dann noch auszugleichen!


Die Namen der Spieler sind größtenteils schon Legenden, gerade bei Königsblau. Auch eines dieser Spiele, die in Erinnerung bleiben.


Halbzeit. Finanzen stimmen. Sportlich auch alles im Grünen Bereich.


Ein weiteres legendäres Spiel.


Ein weiterer Dauerbrenner in meiner Mannschaft. Mit 25 bereits weit über 300 Einsätze? Wer schafft das heute schon.

Fazit: Anstoss 2005 ist mit Sicherheit nicht der schönste Manager, aber er ist gut gereift. Wer von Anstoss 3 oder Anstoss 2 Gold die Nase voll hat, kann A2005 gerne mal eine Chance geben.



Zahlen / Daten / Fakten:

Name: Anstoss 2005
Genre: Fussballmanager
Erscheinungsdatum: 29.10.2004
Systeme: PC
Beteiligte (Auswahl): Ingo Mohr, Ingo Bertram, Maik Delitsch, Ronny Harzendorf, Torsten Allard, Dag Winderlich, Mark Külker, Henrik Hobein, Mirko Worsley, Jürgen Venjakob
Projektleitung: Ingo Mohr
Idee / Konzept: Ingo Bertram


Mittwoch, 7. Oktober 2015

Demnächst: Die eigene Domain

Liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung,

um diese Seite etwas besser zu finden und die doch etwas umständlichen Blogger-Links kurz zu halten, habe ich mich entschieden, eine eigene Domain zu mieten. Leider, leider waren die alten Domains wie Ascapedia.de oder Ascaron-Fanpage.de bereits weg. Aber so ein einfaches Minuszeichen  machte den Unterschied. Zukünftig findet ihr diese Seite auch unter www.ascaronfanpage.de - merkt euch schon mal diesen Link!

Mittwoch, 9. September 2015

Herzlich willkommen!

Lieber Besucher!

Wie auch immer du hierhin gefunden hast, herzlich willkommen auf der Ascapedia. 




Ich arbeite gerade an einem längeren Bericht über die Geschichte von Ascaron. Diesen möchte ich später u.a. in Kapiteln hier veröffentlichen. Das Medium "Blog" lässt die Einbindung von Videos zu, um Intros zu zeigen oder Spielvideos einzubinden. 


Wer also auch heute noch Interesse an Ascon / Ascaron hat, der darf zukünftig gerne vorbeischauen. 


Lieben Gruß


Marc