Die Gründung von ASCARON
Mitte der Achtziger. Die Heimcomputer
sind in aller Munde, und in Gütersloh, einer eher mittelgroßen
Stadt in Westfalen wird von der Firma Rainbow Arts GmbH so mancher
Klassiker für die guten, alten Computer wie den C64 veröffentlicht.
Ein junger, talentierter Mann namens Holger Flöttmann – Jahrgang
1966 - wirkt als Grafiker bei einigen dieser Titel mit, so z.B. in
Amiga-Spielen wie „In 80 Days around the World“,
„Starball“ oder auch dem weniger bekannten „The Final
Trip“. So kam er in den Genuss mit bekannten Namen wie Chris
Hülsbeck zu arbeiten, Leuten, die heute in Retrokreisen immer noch
sehr angesehen sind.
Scheinbar gefiel Flöttmann das
Programmieren sehr, denn bereits 1988 gründete er die viel beachtete
Softwarefirma Thalion Software GmbH, ebenfalls in Gütersloh
ansässig. Unter seiner Regie erschienen Spiele wie das bis heute
bewundernswerte Meisterstück „Chambers of Shaolin“,
„Enchanted Land“ oder „The Seven Gates of Jambala“,
bei denen er auch weiterhin u.a. als Grafiker in Erscheinung tritt.
Bei Thalion ist Jochen Hippel sein Arbeitskollege, ebenfalls ein bis
heute in Retrokreisen verehrter Chip-Musiker.
Thalion entstand ursprünglich aus
einer Gruppe von befreundeten Atari ST-Demo-Codern, die aus ihrer
Erfahrung mit dem Gerät endlich Profit schlagen wollten. Die ersten
Veröffentlichungen dieser Firma wurden zunächst auf dem Atari ST
programmiert, was angesichts der eigentlichen, technischen
Überlegenheit des konkurrierenden Amigas bemerkenswert ist. Die
Vision war immer, das technisch mögliche der limitierten Rechner
auszureizen, wie man z.B. gerade an den Sounds von „Chambers of
Shaolin“ oder auch am wunderbaren Scrolling in „Warp“
für den Atari ST gut erkennen kann.
So sammelte Flöttmann schon in jungen
Jahren erste Erfahrungen in der umkämpften Spieleszene, zu einer
Zeit,in der die Projekte herausfordernder wurden und nicht mehr wie
in der Goldgräberzeit zu Beginn der Achtziger allein in Heimarbeit
vor dem Commodore am Fernseher erstellt wurden. Diesen durch die
ausweitende Projektierung von Softwareprodukten entstehenden
Kostendruck merkte man auch bei Thalion.
In 1991 erfolgt bereits die Trennung
Flöttmanns von Thalion. Fakt ist, dass die Spiele, die Thalion Ende
1990 veröffentlicht (u.a. „Leavin Teramis“), nicht den
gewünschten Markterfolg haben
und auch in den diversen Spielezeitschriften keine überschwänglichen
Meinungen über die Qualität der Spiele herrschen. Dazu kommt, dass
weiterhin zwei wichtige Mitarbeiter den Laden verlassen, namentlich der Autor Richard
Karsmakers und Programmierer Marc Rosocha. Also wird Thalion an Ariolasoft
verkauft. Mit handelsregisterlicher Wirkung per 15. Juli 1991
erlischt Holger Flöttmanns Geschäftsführereigenschaft bei Thalion.
Der Weg ist frei für die Gründung von Ascon.
Fun
Fact: Im J.R.R. Tolkiens Silmarillion gibt es einen Menschen
namens „Hurin Thalion“, wobei Thalion für „der Standhafte“
steht.
Die
Ascon Software GmbH hatte ihren Sitz in der Brockhagener Str. 461 in
Gütersloh. Gegründet wurde die GmbH am 08. August 1991. Nach
eigener Aussage und Intention sollte Ascon der Vertrieb für viele
kleine engagierte Labels in Deutschland sein.
„Ascon
(der ursprüngliche Name) sollte einfach nur möglichst weit vorne im
Alphabet stehen, da bot sich das "A" an. Danach war er bei
der Namensfindung schnell bei "As", weil ein As ein
positiver Begriff ist. Das "con" kam hinzu, weil es
irgendwie technisch klang und damit für Computerspiele passte.“
(Zitat Eric Deters, ehemaliger Ascaron-Mitarbeiter)
Ascon
war daher zunächst einmal als Publisher für einige Spiele tätig,
darunter das Plattform-Spiel „Monster Business“ von
Eclipse, eine ebenfalls junge Softwarefirma, die von eben genanntem
Marc Rosocha ins Leben gerufen wurde. Weiterhin wurde das
durchschnittliche Knobelspiel „Th!nk Cross“ vertrieben,
ein Werk der österreichischen Max Design. Und vor der ersten
Eigenproduktion kam noch das nächste Denkspiel für DOS-PCs heraus,
ein Spiel namens „Turn It 2“.
Im
Juni 1992 legte Ascon den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft.
Vom bis dato unbekannten Team Triptychon übernahm Holger Flöttmann
das Atari ST-Spiel „Die
Pfeffersäcke“,
und entwickelte es weiter zu „Der
Patrizier“:
Packshot von "Der Patrizier"
Damals lohnte sich das Auspacken noch. Ein ordentliches gedrucktes Handbuch, eine übersichtliche Karte - das geht heutzutage schon als Special Edition durch.
Sogar ein Lösungsbuch gab es damals.
Und der legendäre Ascaron-Humor sollte auch nicht fehlen.
Eine historische Wirtschaftssimulation, wie sie bisher in der
Qualität nicht häufig zu sehen war. Die Grafik war hervorragend und
dazu witzig, die Spieltiefe suchte seinerzeit ihresgleichen. Zugleich
war das Spiel aber keine langweilige animierte Exceltabelle, wie es
den teutonischen WiSims immer wieder nachgesagt wurde. Mit viel
historischen Details kann das Spiel auch heute noch begeistern. Die
tolle Idee hinter dem Spiel wurde mit zahlreichen Auszeichnungen
belohnt und belegte in den Verkaufscharts monatelang den ersten
Platz. Ein grandioser Start für eine junge Firma, deren zukünftige
Spiele allein aufgrund dieses fantastischen Spiels mit reichlich
Vorschusslorbeeren versehen wurden. Der Patrizier wurde für den PC
nach einem guten halben Jahr nochmals neu aufgelegt, diesmal aber dem
CD-ROM-Trend folgend: Neue Grafiken, animierte Cutszenen und Musik
von CD. Die neue Version kam bei der Presse abermals gut weg, auch
wenn aus heutiger Sicht der Mehrwert des Spiels allein in medialen
Erweiterungen beschränkt blieb. Sogar ein Lösungsbuch wurde
veröffentlicht, allerdings vom Sybex Verlag. Ein nettes kleines
Büchlein. Ein Rätsel bleibt aber bislang, wer die hinter Triptychon stehenden
Personen im einzelnen sind...
Es
wird kolportiert (s. hier), dass aufgrund der damals noch sehr überschaubaren
Truppe und der geringen Größe des Unternehmens eine
Produktionsmarge von sage und schreibe rund 65% für Holger Flöttmann
übrig blieb. Bei Verkäufen von rund einer viertelmillion Exemplaren
und zu dem damals normalen Preis von 120 Mark (umgerechnet rund 61
Euro) blieben also stolze Nettoeinnahmen von rund 17 Mio. DM (Ergänzung vom 23.06.2018: Unter Kaufkraftgesichtspunkten sind 120 Deutsche Mark von 1992 heutzutage rund 103 Euro! Vielen Dank an Nicolas vom Anstoss-Jünger-Forum für diesen Hinweis!). Nur zum
Vergleich: Weder FIFA 13 noch FIFA 14 haben in Deutschland die
Schallmauer von mehr als 200.000 verkauften Exemplaren auf dem PC
durchbrochen. Diese Nettoeinnahmen werden allerdings von ehemaligen Ascaron-Mitarbeitern in dieser Höhe als "nicht ansatzweise" bestritten.
Dies
war der donnernde Startschuss für einen bemerkenswerten
Spieleentwickler, einen, der bereits früh den Kontakt zu den Fans
suchte und dessen Communitynähe zu seinen besten Zeiten beispielhaft
war. Und die größten Würfe sollten erst noch folgen.
Übrigens,
wer es damals geschafft hat, in Patrizier zum Eldermann zu werden,
der konnte an Ascon schreiben und bekam die sogenannte
„Eldermann-Nadel“ geschenkt. Hat jemand noch diese edle
Anstecknadel in Form das Ascaron-Drachen zuhause?
(Quelle: http://www.rassware.de/games-der-patrizier.php)
Retro-Fans
unter euch kennen bestimmt die Podcast-Serie von Gunnar Lott und
Christian Schmidt „Stay Forever“. Das Spiel Patrizier hat eine
eigene Folge bekommen, die ihr unter
http://www.stayforever.de/2015/03/folge-42-der-patrizier/
findet. Unbedingt reinhören!