Insolvenz
und Wiederauferstehung (2001 – 2002)
Das
Jahr 2001 sollte für die Ascaron Software GmbH ein einschneidendes
Jahr werden.
Der
größte Teil des Anstoss-Teams arbeitete aktuell an der Erweiterung
von Anstoss um den Actionteil, so dass man seine gemanagte Mannschaft
auch mit einem Gamepad durch die Stadien hetzen konnte. Man versprach
sich einen ernsthaften Konkurrenten zum bereits 2001 starken
Widersacher FIFA 2001, der weltbekannten Fußballserie, die
allerdings auch 2001 schon den Ruf des „Jahresupdates“ hatte.
Wie
der „Chip“ in einem Preview feststellte, gab es viele gute Ideen
in diesem Spiel, doch leider war die Präsentation eher typisch
deutscher Biedermeier. Ein erhebliches Problem für den
actionorientierten Spieler war die durch die – seit jeher in der
Anstoss-Reihe – nicht lizenzierten Namen eingeschränkte
Authentizität. Im Managerbereich war dies vielleicht ein zu
übersehendes Problem, bei Anstoss Action hingegen litt die
Atmosphäre dann doch erheblich. Wie immer gab es aber Heerscharen
von Fans, die ebenso wie schon bei den vorhergehenden Teilen für die
sogenannten Userfiles sorgten: Originale Namen, originale Wappen und
originale Vereinsdaten waren schnell im Internet verfügbar und
merzten dieses Manko rasch aus.
Packshot von Anstoss Action |
Die
Testergebnisse Anfang Mai 2001 waren daher, wie eigentlich zu
erwarten, nicht schlecht, aber auch keine übermäßig euphorischen
Urteile: Während die PC Games etwas müde 73% vergab, wertete die
Gamestar mit guten 80%. Die Seite Netzwelt.de vergab sogar 85%. Das
Team um den Projektleiter Ingo Biermann konnte eigentlich zufrieden
sein. Leider war der Erfolg an den Kassen (mal wieder) nicht so, wie
gewünscht, was durchaus am fehlenden Glamourfaktor lag.
Für
mich ist eines der besten Features, dass man A3 und AA koppeln
konnte. Ascaron veröffentlichte beide Spiele dann auch zusammen in
der „Meisteredition“. EA zog mit der Funktion des Koppelns erst
2003 nach, als FIFA Football 2004 und der Fussball Manager 2004
miteinander zur Football Fusion verbunden werden konnten. Durchsetzen
konnte sich das Feature aber offenkundig am Markt nicht, denn bereits
mit dem FM 2005 wurde das Feature wieder beschnitten, um danach gar
nicht mehr angeboten zu werden.
Kurz
nach der Veröffentlichung von Anstoss Action wurde bereits der
nächste Titel in die Läden gebracht: Die kurzweilige LKW-Simulation
„King of the road“, ein lokalisiertes Produkt, welches
auch als „Hard Truck 2“ bekannt ist. Entwickelt von einer
russischen Softwaregruppe, und unter der Federführung von Ingo Mohr
dann an den deutschen Markt angepasst. In der LKW-Sparte hatte der
Gütersloher Konkurrent Synetic vor einiger Zeit das gelungene
Mercedes Benz Truck Racing veröffentlicht, jedoch wichen die
Spielprinzipien deutlich voneinander ab: Während man wie gewohnt bei
Synetic einfach drauf los bretterte, galt es nun, termingerecht zu
liefern und dabei die Konkurrenz abzuhängen.
Packshot von King of the Road |
Werbeposter für King of the Road |
Auch
hier erwartet den geneigten Spieler wieder einer der typischen
Nischenprodukte, die zwar mit Potenzial und Spielwitz aufwarten
konnten, aber dennoch nicht so richtig massentauglich waren und damit
wieder keine Chartstürmer waren. Bei KotR war das Problem, dass es
weder Rennspiel noch Handelssimulation war, und somit keine der
beiden Seiten überzeugen konnte. 58% der PC Games sprechen da Bände.
JoWood legte dieses Spiel bereits nach einem guten Jahr erneut auf.
Den Grund dafür erfahrt ihr in Kürze.
Die
E3 in 2001 fand Mitte Mai in Los Angeles statt. Auch unsere
Ascaronies waren vertreten und überraschten mit der Ankündigung
eines Iso-Taktikspiels mit Adventureeinschlägen bereits für
November 2001: Das Motto hieß „Indiana Jones meets Commandos“
und das Spiel hörte auf den Namen „Artefact“. Die
veröffentlichten Screenshots zeigten eine detaillierte Grafik, und
angesichts des großen Erfolgs von Commandos weckte das Spiel doch
einiges an Erwartungen. Das Intro zu diesem Spiel, welches erst vor
einigen Jahren bei Youtube verfügbar wurde1,
zeigte eine hohe Qualität, und wurde nicht umsonst 2002 mit dem
Animago Award „Professional Animation – Game Design“
ausgezeichnet. Auch im offiziellen Ascaronforum gab es bald einen
Unterbereich, in dem alle Informationen zu diesem Spiel gesammelt
wurden. Leider wurde es schon bald ruhig um dieses Spiel, zunächst
die fast schon obligatorische Terminverschiebung, und dann irgendwann
das komplette Ausbleiben von Informationen – ein klassisches
Beispiel sogenannter Vaporware. Wie ich in einem Gespräch mit Daniel
Dumont herausfinden konnte, war Artefact von einem deutschen
Programmierteam angekauft worden, so daß Ascaron als Publisher
fungieren sollte. Das Projekt wuchs allerdings nicht über den
Trailer und ein paar Screenshots hinaus, so dass Ascaron sich
gezwungen sah, diesen Deal zu canceln. Interessanterweise hat es ein
ähnliches Spiel, oder zumindest etwas, was danach aussah, auf den
Resten von Artefact zu basieren nie gegeben. Auch welches Team
eigentlich dahinter steckte, lässt sich heute nicht mehr
recherchieren. Vielleicht auch besser so. Dennoch schade, denn
Artefact wirkte für mich sehr vielversprechend.
So
war inzwischen 2001 schon weit fortgeschritten, Anstoss Action war
auf dem Markt und die Projektierung von Anstoss 4 war schon im
Februar offiziell bekannt gegeben (mit Guido Eickmeyer als
Projektleiter), King of the Road war ebenfalls erhältlich, das
Patrizier-Team arbeitete neben dem Patrizier-2-AddOn „Aufstieg
der Hanse“ auch an einem neuen Projekt und ein weiteres Team
vollendete gerade Ballerburg, als Ascaron zum ersten, aber
nicht zum letzen Mal das Geld ausging.
Auch
so große Firmen wie Sega oder Sierra (welches das Studio Dynamix in
2001 schloß) hatten mit Vertriebsproblemen zu kämpfen. Z.B. meldete
auch Ikarion (Hattrick!, Demonworld, Mad News) in 2001 Insolvenz an.
Grund dafür war u.a. der bereits einige Monate dauernde Niedergang
der Dotcomblase, die zur Insolvenz zahlreicher mit
Informationstechnologien wirtschaftender Unternehmen führte, was
anderen Unternehmen der Branche die Finanzierung durch Banken extrem
schwierig machte. Die Firma Infogrames, die als Vertriebspartner für
Anstoss 3 und Patrizier fungierte, kaufte in dieser Zeit sehr viele
andere Hersteller von Spielen auf, um sich so zeitweise als
drittgrößter Hersteller von Spielesoftware auf dem Weltmarkt
präsentieren zu können (nach EA und Vivendi). Die kleine GmbH, die
da in Gütersloh national erfolgreiche Spiele veröffentlichte, wurde
mit der Zeit uninteressant, und es wird behauptet, das Infogrames den
Kontrakt wieder zurückzog und die Rückzahlung von
Entwicklungsvorschüssen verlangte – ein Geld, was schlichtweg
bereits investiert war und daher nicht auf dem Konto zur Verfügung
stand. Laut damaliger Pressemitteilung stand zudem Anfang 2001 ein
Investor in den Startlöchern, dieser bekam jedoch kurz vor
Vertragsabschluß noch Muffensausen und trat zur Überraschung der
Geschäftsführung zurück.
Ein
anderer Grund, der meines Erachtens eine nicht untergeordnete Rolle
spielt, war, dass sich Ascaron mit der Entwicklung von Anstoss
Action deutlich verhoben hat und dieses Spiel nicht annähernd so
erfolgreich war, wie es die Entwicklungskosten verlangt hätten. Auch
die Entwicklung des Spiels Ballerburg soll angesichts des eigentlich
simplen Spielprinzips unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht
haben.
Und
so blieb der Ascaron Software GmbH am 31.08.2001, dem Monat des
zehnjährigen Firmenjubiläums, nichts anderes übrig, als wegen
drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz zu beantragen. Die bereits
abgeschlossenen Vertriebsverträge mit den USA oder wichtigen
asiatischen Staaten für u.a. Patrizier 2 waren nicht rechtzeitig
genug abgeschlossen worden, um den Kapitalbedarf zum Jahresende zu
decken. Ein für den 15.September geplantes Fanfest fiel daher aus.
Es wurde am Tag nach den Terroranschlägen von New York aus
verständlichen Gründen abgesagt.
Der
Insolvenzverwalter, Herr Frank Welsch, hatte einen großen Anteil
daran, dass Ascaron bereits Anfang 2002 als Ascaron Entertainment
GmbH wieder auferstand. Heino Nollmann konnte als neuer
Gesellschafter in die Firma aufgenommen werden. Nollmann, als
Medienunternehmer gerade in Gütersloh gut bekannt, brachte genug
Kapital in die Firma, damit das neue Ascaron sämtliche Rechte –
bis auf King of the Road, welches von JoWood erworben wurde -
inklusive der Marke vom alten Ascaron kaufen zu können. Auch konnten
fast alle Mitarbeiter übernommen werden, so dass es fast nahtlos mit
dem Geschäftsbetrieb weiter gehen konnte. Weiterhin konnte Holger
Flöttmann weiterhin Geschäftsführer bleiben, da Nollmann wohl
großes Vertrauen in die Fähigkeiten von Flöttmann setzte.
Während
dieser Phase, bevor Anfang 2002 alles wieder in geordneten Bahnen
lief, wurde das AddOn für Patrizier 2 veröffentlicht. Bereits im
Juli 2001 angekündigt, wurde das AddOn zum bemerkenswert hohen Preis
von damals 60 DM (ca. 30 EURO) Mitte Oktober veröffentlicht. Die PC
Games vergab stolze 85%, die gleiche Wertung kam von 4Players.de. Um
diese Erweiterung gab es wenig medienwirksames Gewese im Vorfeld, was
durchaus als Verdienst des Projektleiters Daniel Dumont gewertet
werden kann. Soweit, so wenig spektakulär, aber dafür umso
qualitativ hochwertiger. Und zwar derartig hochwertig, dass fast ein
Politikum daraus wurde: Am 20. November gab es da angeblich eine
Meldung der Abendzeitung München, in der verkündet wurde, dass das
bayerische Innenministerium an der Indizierung von u.a. Patrizier 2
überlegen würde, da aufgrund des hohen Suchtpotenziales dieser
Endlosspiele ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden angerichtet
werden würde. Der Autor dieses Forumsbeitrages, ein User namens
PeterPyro, gab bereits wenige Stunden nach dem Posten des Beitrages
in offiziellen Ascaron-Forum zu, sich diesen Artikel nur ausgedacht
zu haben. Doch der Stein war ins Rollen gebracht: Neben der Teleschau
veröffentlichte auch die SZ diesen Sachverhalt, nur um später
kleinlaut zugeben zu müssen, dass hier wohl keine angemessene
Quellenprüfung stattgefunden hatte.2
Packshot des Patrizier-2-AddOns |
Im
November 2001 dann wurde dann ein weiteres Spiel veröffentlicht.
Entgegen der bisherigen Schwerpunkte WiSim oder Manager war
Ballerburg ein sympathisches, wenn nicht sogar total
durchgeknalltes 3D-Schießspiel, bei dem es äußerst simpel darum
ging, die gegnerische Burg zu zerstören: Eine bekannte Spielidee,
die bereits auf Heimcomputern als Rampart, Artillerie oder Katapult
bekannt war. Ballerburg wurde sowohl für den PC als auch für die
Playstation programmiert und war eine Entwicklung, die auf einen
ursprünglichen Konzept von Gerald Köhler basierte. Ballerburg war
bereits in den 80ern unter Atari-ST-Besitzen ein Begriff: Eckhard
Kruse hatte dieses monochrome Spiel programmiert und verteilte es als
Public Domain. Das nun von Ascaron kommerziell vertriebene Spiel
hatte viele Gemeinsamkeiten mit dieser Urversion – allerdings wurde
wohl versäumt, Herrn Kruse über diese Neuentwicklung in Kenntnis zu
setzen. Wenn schon der Name des Spiels verwendet wird, gehört das ja
wohl zum guten Ton! Angesichts der Tatsache, dass Gerald Köhler
damals mit Anstoss auf dem Atari ST begann – und zwar nach eigener
Aussage 1987 – und Ballerburg auf dem Atari ST auch 1987 entstand,
so kann es durchaus sein, dass Köhler dieses Spiel kannte. Aber im
Endeffekt ist das alles Schnee von gestern... 3
Ascaron
motzte das Spiel durch eine Kampagne kräftig auf, dazu gab es die
Möglichkeit zu forschen, Magie einzusetzen, die Verteidigung zu
stärken und im Hotseat-Modus einen Freund symbolisch dem Erdboden
gleichzumachen. Dazu gab es ein minutenlanges gerendertes Intro
(gerade die Introfrage sollte später bei anderen Spielen noch für
Diskussionen sorgen). Die Diskrepanz zwischen Aufwand und gewünschtem
vertrieblichem Erfolg sollte sich jedoch auch bei Ballerburg zeigen:
Die Testergebnisse waren nicht schlecht: Spieletips.de gab 79%, PC
Games 78%, die Gamestar 75%. Und doch wurde wieder kolportiert, dass
Ballerburg viel zu teuer gewesen sein soll. Von bis zu einer Million
DM war die Rede, ein Betrag, der mit derart durchschnittlichen
Urteilen an Erlösen nicht zu erreichen war. Die fast gleichzeitig
veröffentlichte Playstation-Version war eine hervorragende Adaption
der PC-Version, die auch noch lange im Playstationstore für die PSP
auf englisch erhältlich war.
Packshot von Ballerburg |
Zu
Beginn des Jahres 2002 konnte dann die Rettung von Ascaron verkündet
werden. Die Arbeiten konnten weiter gehen, insbesondere am neuen
Projekt des Teams Dumont: Neben der Veröffentlichung von Patrizier
2 Gold wurde auch das neue Spiel bekannt gemacht: Für den Juni
2002 wurde „Port Royale: Gold, Macht und Kanonen“
angekündigt. Schnell war klar: Port Royale könnte das von vielen
erwartete „Patrizier meets Pirates!“ werden, denn gerade der
Ausbau des Piratenfeatures war als einer der wenigen kleinen
verbleibenden Kritikpunkte an Patrizier 2 Gold geblieben. Tatsächlich
war der bereits weit fortgeschrittene Entwicklungsstand des Spiels
auch ein Grund, weshalb sich ein Investor fand, der Ascaron am Leben
erhielt. Anfang Mai spendierte Ascaron allen sehnsuchtsvoll wartenden
Spielern bereits ein auf der 3D-Engine von PR basierendes
Minispielchen namens „Piraten vor Port Royale“ (welches, um es
mal vorweg zu nehmen, meiner bescheidenen Meinung nach durchaus
angemessen ins Hauptspiel hätte integriert werden können).
Dennoch
gab es Vereinbarungen, die Ascaron zwangen, Port Royale Mitte Juni
2002 in die Märkte zu bringen. Damals schien es Ascaron wichtiger,
die Vertriebspartner bei Laune zu halten und geschlossene Termine
einzuhalten. Dass mit dem Kauf unfertiger Software aber leider die
wichtigsten Teilnehmer am Marktkreislauf verärgert wurden, nämlich
die Endkunden, trat gerade bei Port Royale deutlich zutage. Die
Gamestar statuierte nämlich ein Exempel an Ascaron. Dank der letzten
Veröffentlichungen, die erst nach mehrere Patches fehlerfrei liefen,
wollte die Redaktion die Käufer sensibilisieren. Port Royale wurde
mit einer 72%-Wertung abgestraft. Im Vergleich: Die PC Games vergab
88%, die PC Action 89%. Allerdings häuften sich die Beschwerden der
Kunden im Forum derart, dass Ascaron sich genötigt sah, ernsthafte
Maßnahmen zu ergreifen, die über das einfach Beheben der Bugs und
Abstürze hinaus gingen. So wurde in den folgenden Wochen neben den
nötigen Patches nach ausführlicher Pressemitteilung auch ein
Mini-AddOn verschenkt, in dem dann nachträglich Features eingebaut
wurden, mit denen peinlicherweise vorher schon geworben wurde
(konkret z.B.: Das Spielerversteck). Auch einer Erweiterung der
Missionen, der bisher sowieso schon ansehnlichen Grafik und einiger
wirtschaftlicher Feinheiten machten das AddOn zu einem dieser
Programmteile, die nach Ansicht der meisten Spieler eigentlich schon
von Beginn an im Spiel integriert hätten sein sollen. Und die
Gamestar ließ sich dann doch noch herab und gab im Nachtest dann
gnädigere 84%.
Packshot von Port Royale |
Endlich wieder eine gut gefüllte Box! |
Die Special Edition (leider kein größeres Bild vorhanden) |
Im
Ascaron-Shop gab es übrigens eine Special-Edition: Port Royale in
originaler Holzkiste mit Echtheitszertifikat als Flaschenpost und
einer Piratenflagge dazu. Und als sich dann zeigte, dass die Bugjagd
beendigt war, wurde Port Royale in einer Gold-Edition inkl.
Mini-AddOn einfach nochmal aufgelegt, zu erkennen am goldenen
Aufkleber auf der Verpackung. Port Royale war übrigens das letzte
Spiel von Ascaron, welches in der regulären Auflage in der
sogenannten Eurobox erschien. Die künftigen Spiele kamen dann meist
in DVD-Amarays.
Während
die Patrizierserie sich also neu definierte und das karibische Flair
ins Programm aufnahm, stand ein weiterer Paradigmenwechsel an: Nach
Anstoss 3 sollte Anstoss 4 kommen. Man nehme: Eine Menge
Anstossanhänger – nein, sagen wir korrekt: Anstoss-Jünger – die
dermaßen gespannt auf den nächsten Teil des legendären Managers
sind, dass das Forum penibelst auf Aussagen offizieller Mitarbeiter
gescannt wird und diese thematisch sortiert in einen eigenen Thread
zusammenfassen (die unter den Fans legendäre „A4-Featureliste“
vom User GTStar). Dazu Vorschußlorbeeren in reichlicher Höhe
von zahllosen Zeitschriften oder Internetseiten, denn bislang
schaffte es Ascaron ja in der Anstoss-Serie immer, einen
draufzusetzen. Weiterhin füge man in Ermangelung der beiden
bisherigen Hauptzutaten einige neue Zutaten hinzu, die bereits das
Genre kennen und nun endlich als Hauptverantwortliche zu Ruhm und
Ehre kommen sollen. Außerdem schadet es nie, dem Re- bzw. Konzept
jederzeit neue Ideen hinzuzufügen, vor allem von unterschiedlichen
Personen, damit auch jeder seinen Teil beigetragen hat. Zur
Dekoration versende man einige Screenshots, die erhebliche
Erwartungen in der potenziellen Käuferschaft schüren. Das Ganze
füge man dann in einer viel zu kurzen Zeit zu einem Projekt
zusammen, in dem innerhalb von nur etwa einem Jahr ein vollständiger
Fussballmanager von Grund auf neu programmiert werden soll und der
selbstverständlich die bisherigen Verkaufsrekorde des Vorgängers
brechen soll. Das „fertige“ Produkt garniere man dann mit zwei
Besonderheiten: Zum einen veröffentliche man das Spiel auf dem zu
der Zeit noch nicht überall verbreiteten Format „DVD“ (um
marketingwirksam eine Special Edition inkl. DVD-ROM-Laufwerk
rausbringen zu können) und zum anderen lege man den
Veröffentlichungstermin dermaßen eng zu dem des direkten
Konkurrenzproduktes „FM 2003“ (pikant: der erste FM von Gerald
Köhler), dass man sich zwar prima dem Weihnachtsgeschäft öffnet,
dafür aber das Team zu zahllosen Überstunden zwingt. Voilà, und
fertig ist der Blockbuster Anstoss 4! Oh, sagte ich Blockbuster?
Entschuldigt, ich meinte Rohrkrepierer.
Es
kam kurz vor dem Release zum übelsten Fehler, den man sich
vorstellen kann: Die zuerst an den Handel ausgelieferten Exemplare
des Spiels waren fehlerhaft und mussten zurückgerufen werden, was zu
einer kostspieligen Neupressung führte. Und nur wenige Tage danach
ging EA mit einer einstweiligen Verfügung gegen Ascaron vor –
angeblich waren die Spielerdaten in A4 teilweise die gleichen wie im
FM. Dies wurde in der EA-Community festgestellt, da die Spielerdaten
im Editor schon vor Release zur Verfügung gestellt wurden.Vor dem
Landgericht Hamburg einigte man sich dann schnell auf einen
Vergleich, um die weitere Auslieferung nicht noch mehr zu verzögern.
Doch der Imageschaden war da. Und dann gab es da noch das Spiel
selbst...
Der
Hauptkritikpunkt an Anstoss 3: Es ist ein Optionsmonster. Anstoss 4
sollte daher entschlackt werden, mit schlauen Assistenten versehen
werden, die unliebsame Aufgaben zufriedenstellend übernehmen
konnten, dazu sollte der eigentliche Spieltag mit tollen 3D-Szenen
geschmückt werden. Leider ist beim Entmotten der Spielwitz auch
gleich mit entsorgt worden. Die Bildschirme und Menüs waren steril,
die Spielszenen zu langweilig oder völlig haarsträubend und
insgesamt war A4 nicht griffig genug. Dazu fehlte der wichtigste
Bestandteil: Der Pallino war quasi nicht mehr vorhanden. Ich kann
mich noch gut daran erinnern, wie ich Spiel erstmals gestartet habe
und mir die grünen Screens erstmal einen Schreck eingejagt haben,
wobei ich fest der Meinung war, dass da doch noch irgendwas witziges
kommen musste! Doch es wurde irgendwie nicht attraktiver.
In
den Tests der Spieleredaktionen kam A4 kurioserweise sehr
unterschiedlich weg: Während Gbase.de mit 7,0 (von 10) wertete und
auf einige Bugs aufmerksam machte, war die PC Games sehr kritisch und
bestrafte das Bugfestival mit einer unterirdischen Wertung von 51%!
Die Gamestar, die sich in Sachen Port Royale (für das am 08.11.2002
dann der Patch 1.40 erschien) noch zum Verfechter der fertigen Spiele
aufschwang, vergab jedoch 79%. Insgesamt war also deutlich: A4 war
der Tiefpunkt der Serie und EA übernahm mit dem FM 2003 eindeutig
das Zepter auf dem Managerthron. Auch einige eilig hinterher
geschobene Patches – eine Vorgehensweise, die sich immer mehr
etablierte – änderten nichts wesentliches mehr an Präsentation
und Dynamik. Ein Desaster.
Packshot von Anstoss 4 |
Dieser Screenshot aus A4 erinnert fatal an die Büros in der Dieselstr. 66. |
Ich
muss an dieser Stelle jedoch eine Lanze für Anstoss 4 brechen. Klar
– A4 ist nicht Anstoss 3 Extended oder gar ein Meilenstein des
Genres. Dennoch: Es sind gute Ideen enthalten, die mir persönlich in
späteren Auflagen ein wenig fehlen, wie beispielsweise die
3D-Verhandlungen bei Transfers. Und alles in allem ist Anstoss 4 auch
eigentlich ein recht zufriedenstellender Fussballmanager. Der große
Negativpunkt ist eben, dass der Vorgänger einfach weiterhin der
bessere Manager war.
Ein
unangenehmer Nebeneffekt das Clashes EA vs. Ascaron war weiterhin,
dass die Internetseite von Ascaron inklusive des stark frequentierten
Forums aufgrund des Nutzeransturms abschmierte, deswegen die
Forumssoftware neu aufgesetzt werden musste und dann ab Anfang
Dezember erst wieder unter der Adresse www.Ascaron-Forum.de zu
erreichen war. Auch die Firmenhomepage musste neu aufgestellt werden,
das alte HTML-Gerüst hatte ausgedient und wurde durch ein etwas
angenehmeres Design ersetzt.
Und
so endete 2002 für Ascaron sehr unglücklich. Für 2003 wurde das
Budgetspiel Big Scale Racing vom Entwickler Bumble Beast in
Zusammenarbeit mit Pointsoft angekündigt, aber der Schatten der
A4-Pleite hing über der Firma wie ein Damoklesschwert. Der Ruf der
Serie war über Jahre aufgebaut worden, doch dieser Teil machte alles
davon kaputt.
Lediglich
einen Hoffnungsschimmer gab es, und der beruhte kurioserweise auf der
Pleite eines anderen Unternehmens: Es geht um die bekannte Truppe
Ikarion aus Aachen, von der bereits kurz die Rede war. Ikarion war
bekannt für Hattrick und Demonworld, und entwickelte
seit dem Jahr 2000 an einem Action-Rollenspiel unter der Lizenz für
„Das Schwarze Auge“, einem bekannten Pen&Paper-Rollenspiel.
„Armalion“, so der Arbeitstitel des Spieles, war zu einem
großen Teil fertig gestellt4.
Doch da sich für das Spiel kein Investor fand, musste Ikarion Ende
2001 Insolvenz anmelden. 2002 kaufte Holger Flöttmann aus der
Insolvenzmasse die Teile dieses Spiels, nur ohne DSA-Lizenz. Er
gründete ein Tochterunternehmen von Ascaron, die „Studio II
GmbH“ in Aachen, übernahm einige Mitarbeiter von Ikarion und
wollte dieses Spiel weiterentwickeln. Das Spiel bekam nach der
Übernahme den Namen „Sacred“ und sollte für eine
wirklich große Überraschung sorgen.
1 Das
Video könnt ihr hier sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=eCspWs1vygQ
2 Einen
Artikel dazu findet ihr bei Heise:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Spieleverbot-durch-CSU-eine-Ente-48116.html
3 Die
Hintergründe zum „echten“ Ballerburg gibt es hier:
http://www.eckhardkruse.net/atari_st/baller.html
4 Der
Zulieferer Spellcraft Studio hat Screenshots des Spiels und des
Intros auf 2000 bzw. 2001 datiert.